Bhārat Ganarājya (Hindi)
Republic of India (engl.)
Republik Indien
|
Überregionale Amtssprachen |
Hindi und Englisch |
Regionale Amtssprachen |
Asamiya, Bengali, Bodo, Dogri, Gujarati, Kannada,
Kashmiri, Konkani, Maithili, Malayalam, Marathi, Meitei, Nepali, Oriya,
Punjabi, Santali, Sanskrit, Sindhi, Tamil, Telugu, Urdu |
Hauptstadt |
Neu-Delhi |
Staatsform |
Bundesrepublik |
Präsident |
A. P. J. Abdul Kalam |
Premierminister |
Manmohan Singh |
Fläche (Weltrang: 7) |
3.287.590 km² |
Einwohnerzahl (Weltrang: 2) |
1.112.226.000 (Berechnung 2006) |
Bevölkerungsdichte |
338 Einwohner pro km² |
BIP/Einwohner |
590 US-$ (2006) |
Unabhängigkeit |
15. August 1947 |
Währung |
Indische Rupie |
Zeitzone |
UTC + 5:30 = MEZ + 4:30 |
Nationalhymne |
Jana Gana Mana |
Nationalfeiertag |
26. Januar (Tag der Republik) und 15. August
(Unabhängigkeitstag) |
Kfz-Kennzeichen |
IND |
Internet-TLD |
.in |
Vorwahl |
+91 |
|
|
Indien
hindi: भारत, Bhārat; englisch India, ist ein
Staat in Südasien, der den größten Teil des indischen Subkontinents
umfasst. Der Himalaya bildet die natürliche Nordgrenze Indiens, im
Süden umschließt der Indische Ozean das Staatsgebiet. Indien grenzt an
Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch.
Seine Bezeichnung hat Indien von dem in Tibet
entspringenden Strom Indus, dessen Name sich von dem Sanskrit-Wort Sindhu
mit der Bedeutung „Fluss“ herleitet. In Urdu heißt das Land Hind,
in Hindi Bharat; diese Bezeichnung wurde zum amtlichen Namen
der Republik Indien. Als Hindustan, „Land der Hindus“, bezeichneten die
muslimischen Eroberer den Nordteil Indiens.
Geographie und Landesnatur
Topographie Indiens
Indiens höchster Berg:
Kanchenjunga (8598 m)
Landschaft im Vindhyagebirge
Gebirgsketten in Indien
Indien, mit einer Fläche von 3.287.590 km² der
siebtgrößte Staat der Erde, erstreckt sich in West-Ost-Richtung vom 68.
bis zum 97. östlichen Längengrad über rund 3.000 Kilometer. Von Nord
nach Süd, zwischen dem 8. und dem 37. Grad nördlicher Breite, beträgt
die Ausdehnung rund 3.200 Kilometer. Indien grenzt an sechs Staaten:
Pakistan (2.912 Kilometer), China (Tibet; 3.380 Kilometer),
Nepal (1.690 Kilometer), Bhutan (605 Kilometer), Myanmar
(1.463 Kilometer) und Bangladesch (4.053 Kilometer).
Insgesamt beträgt die Grenzlänge somit 14.103 Kilometer. Da der
nördliche Teil des umstrittenen Kaschmirs seit 1949 unter
pakistanischer Kontrolle steht, hat Indien keine gemeinsame Grenze mit
Afghanistan mehr.
Die natürliche Grenze im Norden und Nordosten bildet der
Himalaya, das höchste Gebirge der Welt, das im äußersten Nordwesten
durch das Hochtal des Indus vom Karakorum getrennt wird. Südlich an den
Himalaya schließen sich die breiten, fruchtbaren Stromebenen der Flüsse
Ganges und Brahmaputra an. Den Nordosten Indiens, einschließlich der
Brahmaputra-Ebene, verbindet nur ein schmaler Korridor zwischen
Bangladesch und Nepal bzw. Bhutan mit dem Rest des Landes. Die
Nordostregion wird durch das bis zu 3.800 Meter hohe Patkai- oder
Purvachalgebirge von Myanmar sowie das knapp 2.000 Meter hohe
Khasigebirge von Bangladesch abgeschirmt.
Im Westen geht das Stromland des Ganges in die Wüste
Thar über, die im Osten und Süden vom Aravalligebirge begrenzt wird.
Südlich davon liegen die Sümpfe des Rann von Kutch sowie die Halbinsel
Kathiawar.
Das Hochland von Dekkan nimmt den größten Teil der
keilförmig in den Indischen Ozean vorragenden indischen Halbinsel ein.
Das Vindhya- und das Satpuragebirge schirmen den Dekkan von der
Gangesebene im Norden ab. Im Westen wird er von den bis zu 2.700 Meter
hohen Westghats, im Osten von den flacheren Ostghats begrenzt. Beide
Gebirgszüge treffen im Süden, wo die Halbinsel spitz zum Kap Komorin
zuläuft, zusammen. Die Westghats fallen steil zur Konkan- und
Malabarküste entlang des Arabischen Meeres ab. Die Ostghats gehen in
die breiteren östlichen Küstenebenen am Golf von Bengalen über.
Zu Indien gehören außerdem drei dem Indischen
Subkontinent vorgelagerte Inselgruppen. Rund 300 Kilometer westlich der
Malabarküste liegen die Korallenatolle von Lakshadweep, das die
Inselgruppen der Lakkadiven und Amindiven sowie die Insel Minicoy
umfasst. Südöstlich der Halbinsel, zwischen 1.000 und 1.600 Kilometer
vom indischen Festland entfernt, erstrecken sich die Andamanen und
Nikobaren.
Der höchste Punkt Indiens ist der Berg Kanchenjunga mit
8.598 Metern Höhe, der sich im äußersten Westen Sikkims in
unmittelbarer Grenznähe zu Nepal erhebt. Der höchste vollständig auf
indischem Gebiet liegende Berg ist die Nanda Devi mit 7.822 Metern. Der
tiefste Punkt ist die zwei Meter unter dem Meeresspiegel gelegene
Kuttanad-Senke an der Malabarküste.
Flüsse und Seen
Die Narmada in Zentralindien
Wichtige Flüsse in Indien
Alle größeren Flüsse Indiens entspringen in einer der
drei Hauptwasserscheiden des Subkontinents: im Himalaya, in den
zentralindischen Vindhya- und Satpura-Bergen oder in den Westghats.
Indiens längster und zweifellos wichtigster Fluss ist
der Ganges (Ganga), der im Himalaya entspringt. Seine längsten
Nebenflüsse sind die Yamuna und der Gumti; der Chambal ist ein Zufluss
der Yamuna. Der Brahmaputra, der das Land im Nordosten durchfließt,
vereinigt sich mit dem Ganges und bildet vor der Mündung in den Golf
von Bengalen ein gewaltiges Delta, an dem Indien jedoch nur im Westen
Anteil hat. Der Großteil des Gangesdeltas liegt auf dem Territorium des
Nachbarstaates Bangladesch. Fast ein Drittel der Fläche Indiens gehört
zum Einzugsgebiet von Ganges und Brahmaputra.
Im äußersten Norden durchquert der Indus in
Südost-Nordwest-Richtung den Bundesstaat Jammu und Kashmir.
Das Hochland von Dekkan wird von mehreren großen Flüssen
entwässert. Die Narmada und der Tapti münden ins Arabische Meer,
während Godavari, Krishna, Mahanadi und Kaveri zum Golf von Bengalen
fließen.
Trotz seiner Größe verfügt Indien nur über wenige große
natürliche Seen. Dafür wurden zu Bewässerungs- und
Energiegewinnungszwecken im ganzen Land teils riesige Stauseen
angelegt. Die größten sind der Hirakud-Stausee (746 km²) in Orissa, der
Gandhi-Stausee (648 km²) in Madhya Pradesh und der
Govind-Ballabh-Pant-Stausee (465 km²) an der Grenze zwischen Uttar
Pradesh und Chhattisgarh.
Geologie
Die Theorie der Kontinentalverschiebung geht davon aus,
dass Indien bis gegen Ende des Jura zum Südkontinent Gondwana gehörte.
Erst in der Kreidezeit riss es von der Antarktis ab und driftete in
erdgeschichtlich extrem kurzen 50 Millionen Jahren quer durch den
gesamten Tethys-Ozean gegen die Eurasische Platte, wo sein Aufprall vor
etwa 70 Millionen Jahren, gegen Ende der Kreidezeit, den Himalaya schuf
und Tibet anhob. Auch heute noch bewegt sich die Indische Platte nach
Norden, sodass sich der Himalaya jährlich um einige Millimeter hebt. Er
stellt eines der jüngsten Faltengebirge der Erde dar. Die ihm
vorgelagerten Flussebenen entstanden durch Sedimentablagerungen im
Pleistozän. Wesentlich vielfältiger sind die Gesteinsformationen des
Dekkan. Den Großteil nehmen proterozoische Formationen im Süden und
Osten, der in der Kreidezeit entstandene vulkanische Dekkan-Trapp im
Westen und Nordwesten sowie ungeformte Kratone, die zu den ältesten
Teilen der Erdkruste gehören, im Nordosten und Norden ein.
Naturkatastrophen
Indien wird immer wieder von verschiedenen
Naturkatastrophen heimgesucht, besonders Überschwemmungen, die während
des Sommermonsuns durch extreme Niederschlagsmengen im ganzen Land
auftreten können. Während der trockenen Jahreszeit oder bei Ausbleiben
der Monsunregenfälle kommt es dagegen häufig zu Dürren. Zyklone und
dadurch bedingte Flutwellen an der Ostküste kosten oft viele
Menschenleben und richten verheerende Schäden an. In einigen Gebieten
besteht auch erhöhte Erdbebengefahr, betroffen sind vor allem der
Himalaya, die Nordoststaaten, Westgujarat und die Region um Mumbai. Im
Dezember 2004 verursachte ein Seebeben im Indischen Ozean einen
verheerenden Tsunami, der an der Ostküste und auf den Andamanen und
Nikobaren 7.793 Menschenleben forderte und schwerste Verwüstungen
anrichtete.
Klima
Ausbreitung und Rückzug des
indischen Sommermonsuns
Mit Ausnahme der Bergregionen ist Indiens Klima
vornehmlich tropisch, wobei Nord- und Zentralindien kontinentaler
geprägt sind als der maritime Süden. So treten im Norden im
Jahresverlauf teils erhebliche Temperaturschwankungen auf. Während in
den nördlichen Tiefebenen im Dezember und Januar nur 10 bis 15 Grad
Celsius herrschen, sind in der heißesten Zeit zwischen April und Juni
Höchsttemperaturen von 40 bis über 50 Grad Celsius möglich. Im Süden
ist es dagegen ganzjährig heiß, aber konstanter.
Die Niederschlagsverhältnisse werden im ganzen Land
maßgeblich vom Indischen Monsun beeinflusst. Der Südwest- oder
Sommermonsun setzt in den meisten Landesteilen im Juni ein und bringt
je nach Region bis September oder Oktober ergiebige Niederschläge. Auf
Grund der sehr unterschiedlichen Topographie ist die
Niederschlagsverteilung allerdings höchst ungleichmäßig. Die stärksten
Regengüsse gehen an der Westküste, in den Westghats, an den Hängen des
Himalayas und in Nordostindien nieder. Am trockensten ist es dagegen in
der Thar. Die aus Zentralasien kommenden Nordost- oder
Wintermonsunwinde zwischen Oktober und Juni bringen kaum Feuchtigkeit,
daher entfallen in den meisten Gegenden 80 bis über 90 Prozent der
jährlichen Gesamtniederschlagsmenge auf die Sommermonate. Lediglich der
Südosten erhält auch während des Nordostmonsuns Regen, da die
Luftströmungen über dem Golf von Bengalen Feuchtigkeit aufnehmen.
Vegetation
Blätter und Früchte des
Teakbaumes
Der Größe des Landes und der verschiedenen klimatischen
Bedingungen in den einzelnen Landesteilen entsprechend weist Indien
eine ungeheure Landschaftsvielfalt auf. Dabei reicht die Pflanzenwelt
Indiens von Hochgebirgsvegetation im Himalaya bis zu tropischen
Regenwäldern im Süden. Weite Teile der ursprünglichen Vegetationsdecke
sind heute jedoch zerstört, stattdessen ist Indien überwiegend durch
Kulturlandschaften geprägt. Nur noch etwa ein Fünftel des Landes ist
bewaldet, wobei offizielle Angaben hierzu schwanken und auch
degradierte Gebiete sowie offene Wälder mit einbeziehen.
In den tieferen Lagen des Himalayas erstrecken sich noch
ausgedehnte Wälder. Da die Niederschläge an den Hängen des Gebirges von
Ost nach West abnehmen, finden sich im Osthimalaya immergrüne Feucht-
und Regenwälder, die nach Westen hin lichter und trockener werden. Es
herrschen Laubwälder mit Eichen und Kastanien vor, charakteristisch für
den Osthimalaya sind Rhododendren. In höheren Lagen dominieren
Nadelbäume, insbesondere Zedern und Kiefern. Die steppen- und
wüstenartigen Hochtäler in Ladakh und anderen Teilen des westlichen
Innerhimalayas gehen in das trockene Hochland von Tibet über. Die
Vegetationsgrenze liegt bei etwa 5.000 Metern.
Der schwer zugängliche Nordosten ist teils noch dicht
bewaldet. Besonders hohe Niederschlagsmengen ermöglichen dort
halbimmergrüne Feuchtwälder.
Der weitaus größte Teil der Gangesebene, des Dekkans und
der angrenzenden Randgebirge war früher von Monsunwäldern bedeckt, die
heute nur noch in Resten, zumeist in Bergregionen, anzutreffen sind.
Die landwirtschaftlich intensiv genutzten Ebenen sind dagegen praktisch
waldfrei. Monsunwälder werfen während der Trockenperioden Laub ab. Je
nach Niederschlagsmenge und Länge der Trockenperiode unterscheidet man
zwischen Feucht- und Trockenwäldern. Wälder, die zwischen 1.500 und
2.000 mm Jahresniederschlag erhalten, werden in der Regel als
laubabwerfende Feuchtwälder bezeichnet. Sie herrschen im nordöstlichen
Dekkan, Orissa und Westbengalen sowie im Lee der Westghats vor. Bei
Niederschlägen zwischen 1.000 und 1.500 mm im Jahr spricht man von
laubabwerfenden Trockenwäldern, die den größten Teil Indiens bedecken.
Wegen der dünneren Baumkronen weisen Monsunwälder ein dichtes Unterholz
auf. Die charakteristische Baumart des Nordens ist der Sal (Shorea
robusta), im zentralen und westlichen Dekkanhochland ist es der
Teakbaum (Tectona grandis) und den Süden der Halbinsel prägen
Sandelholzbäume (Santalum album). Bambusarten sind überall weit
verbreitet.
In den trockeneren Teilen Indiens, wie Rajasthan,
Gujarat, dem Westrand des Gangestieflandes oder dem zentralen Dekkan,
erstrecken sich offene Dornwälder, die in der Wüste Thar in
Halbwüstenvegetation mit vereinzelten Dornbüschen übergehen.
In den feuchten Westghats haben sich größere
zusammenhängende Teile der ursprünglichen, immergrünen oder
halbimmergrünen Feuchtwälder erhalten. Sie sind durch die für tropische
Regenwälder typische Stockwerkgliederung geprägt. Einige der hoch
wachsenden Baumarten des obersten Stockwerkes werfen jahreszeitbedingt
ihr Laub ab, darunter wachsende Arten sind dagegen immergrün.
Aufsitzerpflanzen wie Orchideen und Farne kommen in großer Vielfalt vor.
Mangroven, salzwasserresistente Gezeitenwälder, sind nur
an der Ostküste Indiens verbreitet. Die Sundarbans im
Ganges-Brahmaputra-Delta weisen die dichtesten Mangrovenbestände des
Landes auf. Weitere Gezeitenwälder befinden sich in den Mündungsdeltas
von Mahanadi, Godavari und Krishna.
Tierwelt
Indischer Elefant
fau
Dank seiner Landschaftsvielfalt findet man in Indien
eine äußerst artenreiche Tierwelt vor. Man schätzt, dass etwa 350
Säugetier-, 1.200 Vogel-, 400 Reptilien- und 200 Amphibienarten
heimisch sind. Viele Arten kommen allerdings nur noch in
Rückzugsgebieten wie Wäldern, Sümpfen, Berg- und Hügelländern vor. In
indischen Gewässern leben zudem mehr als 2.500 Fischarten.
Indiens größte Säugetierart ist der Indische Elefant,
der neben dem Königstiger wohl auch am bekanntesten ist. Der Tiger war
lange Zeit vom Aussterben bedroht, durch Einrichtung von
Tigerschutzgebieten konnten sich die Bestände aber wieder erholen.
Dennoch gibt es bloß wenige tausend Exemplare in freier Wildbahn. Außer
dem Tiger leben noch andere Großkatzen in Indien, darunter Leoparden
und Löwen. Letztere sind ausschließlich im Gir-Nationalpark in Gujarat,
dem letzten Rückzugsgebiet des Asiatischen Löwen, anzutreffen. Der
seltene Schneeleopard bewohnt den Himalaya. Die bekannteste und
weitverbreitetste der kleineren Katzenarten ist der Mungo.
Das Panzernashorn lebt nur noch in Sumpf- und
Dschungelgebieten in Assam, vor allem im Kaziranga-Nationalpark.
Weit verbreitet sind dagegen Paarhufer. Dazu gehören
unter anderem Wildschweine, Muntjaks, Sambars, Axishirsche,
Schweinshirsche, Barasinghas, Wasserbüffel, Gaur sowie mehrere
Antilopenarten.
Auch Affen sind in Indien häufig anzutreffen.
Rhesusaffen gelten den Hindus als heilig, dürfen nicht belästigt werden
und haben sich daher sogar in Städten ausgebreitet. Der in ganz Indien
verbreitete Hanuman-Langur wird ebenfalls als heilig erachtet. Daneben
gibt es weitere Langurenarten sowie Makaken.
Weiterhin erwähnenswerte Säugetiere sind die Rothunde,
Bengalfüchse, die hauptsächlich Graslandschaften bewohnen, und die
dichte Wälder bevorzugenden Lippenbären. Im Ganges, Brahmaputra und
deren Nebenflüssen findet sich gelegentlich noch der Gangesdelfin.
Indiens Vogelwelt ist mit über 1.200 einheimischen Arten
– mehr als in ganz Europa – überaus vielfältig. Dazu kommen
im Winter unzählige Zugvögel aus Nordasien. Der Pfau gilt als
Nationalvogel und ist weit verbreitet. Häufig sind auch Tauben, Krähen,
Webervögel, Spechte, Pittas, Drongos, Sittiche, Nektarvögel und Pirole.
In Feuchtgebieten leben Störche, Reiher, Kraniche, Ibisse und Eisvögel.
Unter den Raubvögeln sind Bengal- und Schmutzgeier am verbreitetsten.
Etwa die Hälfte aller in Indien heimischen
Reptilienarten sind Schlangen wie die Brillenschlange, die Königskobra
und der Netzpython. In Feuchtgebieten findet man aber auch
Sumpfkrokodile. Sehr selten ist der scheue, fischfressende Gangesgavial.
Geschichte
Vorgeschichte und klassisches Zeitalter
Die nicht rostende Eiserne Säule
in Delhi wird der Gupta-Zeit zugeschrieben.
Die Industal-Zivilisation, größtenteils im heutigen
Pakistan gelegen, war eine der frühen Hochkulturen der Welt, mit einer
eigenen Schrift, der bisher nicht entzifferten Indus-Schrift. Um etwa
2500 v. Chr. existierten dort geplante Städte wie Harappa, mit einer
Kanalisation, Seehäfen und Bädern, während angenommen wird, dass in
Südindien noch weniger entwickelte Verhältnisse herrschten. Weiter
östlich machen sich andere archäologische Komplexe bemerkbar wie die
sogenannte Copper Hoard Culture. Ab 1700 v. Chr. setzte aus bislang
unbekannten Gründen der Zerfall der Indus-Kultur ein.
Eine für die weitere Entwicklung Indiens sehr wichtige
Periode war die vedische Zeit (etwa 1500 v. Chr.-500 v. Chr.), in der
die Grundlagen der heutigen Kultur geschaffen wurden. Über die
politische Entwicklung ist weitaus weniger bekannt als über die
religiöse und philosophische Entwicklung. Gegen Ende der vedischen Zeit
wurden die Upanishaden geschaffen, die in vielerlei Hinsicht die Basis
der in Indien entstandenen Religionen Hinduismus, Buddhismus und
Jainismus bilden. In diese Zeit fällt die Urbanisierung in der
Gangesebene und der Aufstieg regionaler Königreiche wie Magadha.
Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. entfaltete sich der
Buddhismus, der rund 500 Jahre lang neben dem Hinduismus die
maßgebliche Geistesströmung Indiens darstellte. Im 4. Jahrhundert v.
Chr. entstand unter der Dynastie der Maurya erstmals ein indisches
Großreich, das unter Ashoka fast den gesamten Subkontinent beherrschte.
Ashoka wandte sich nach zahlreichen Eroberungszügen dem Buddhismus zu,
den er im eigenen Land und bis nach Sri Lanka und Burma zu verbreiten
suchte. Nach seinem Tode zerfiel das Maurya-Reich allmählich erneut in
zahllose Kleinstaaten, die erst im 4. Jahrhundert n. Chr. von den Gupta
wieder zu einem Großreich in Nordindien geeint werden konnten. Mit dem
Buddhismus übte Indien einen wesentlichen kulturellen Einfluss auf den
gesamten Bereich von Zentral- und Ostasien aus. Die Ausbreitung des
Hinduismus und Buddhismus über Indochina bis in das heutige Indonesien
prägte Geschichte und Kultur dieser Länder. Als letzter großer Förderer
des Buddhismus in Indien gilt Harshavardhana, dessen Herrschaft im
Nordindien des 7. Jahrhunderts den Übergang zum indischen Mittelalter
markiert.
Indisches Mittelalter und Mogulzeit
Arabische Eroberungszüge im 8. Jahrhundert brachten den
Islam nach Nordindien. Zu einer Dominanz muslimischer Staaten im Norden
sowie zur Islamisierung größerer Teile der dortigen Bevölkerung kam es
jedoch erst mit den Invasionen zentralasiatischer islamischer Mächte ab
dem 12. Jahrhundert. Das Sultanat von Delhi weitete seine Macht sogar
kurzzeitig auf den Süden aus, dennoch blieb sein kultureller Einfluss
auf den Norden begrenzt. Der Mongoleneinfall des Jahres 1398 schwächte
das Sultanat, sodass die hinduistischen Regionalreiche
wiedererstarkten. Erholen konnten sich die muslimischen Herrscher erst
im 16. Jahrhundert mit der Gründung des Mogulreiches, das für rund 200
Jahre zur bestimmenden Kraft des Nordens wurde und noch bis 1857
Bestand hatte. Herausragende Herrscher wie Akbar, Jahangir, Shah Jahan
und Aurangzeb dehnten nicht nur die Grenzen des Reiches bis auf den
Dekkan aus, sondern schufen auch ein funktionierendes Verwaltungs- und
Staatswesen und förderten die Künste. Hinduistische Königtümer gab es
während ihrer Zeit nur noch in Südindien, etwa in Vijayanagar.
Europäische Kolonialherrschaft und
Unabhängigkeitsbewegung
Das von den Briten während des
Sepoy-Aufstands erstürmte Secundra Bagh bei Lucknow, Aufnahme von
Felice Beato, März 1858
Europäische Mächte, zunächst Portugal, begannen ab 1505
kleinere Küstenstützpunkte zu erobern (vgl. Portugiesisch-Indien). Von
1756 an unterwarf die britische Ostindien-Kompanie (British East
India Company) von ihren Hafenstützpunkten Kalkutta, Madras und
Bombay aus weite Teile Indiens. Der vorher bestehende Einfluss der
europäischen Kolonialmächte Portugal, Niederlande und Frankreich wurde
von ihr weitgehend beseitigt. Loyale Fürsten behielten Staaten mit
begrenzter Souveränität wie Hyderabad, Bhopal, Mysore oder Kaschmir.
1857/58 erhoben sich Teile der Bevölkerung Nordindiens im
Sepoy-Aufstand gegen die Herrschaft der Ostindien-Kompanie. Nach der
Niederwerfung des Aufstandes wurde diese aufgelöst und Indien der
direkten Kontrolle durch Großbritannien unterstellt. Die britischen
Monarchen trugen ab 1877 den Titel „Kaiser(in) von Indien“.
Kolonialflagge Britisch-Indiens
1885 wurde in Bombay die Kongresspartei (Indian
National Congress) gegründet. Sie forderte zunächst nicht die
Unabhängigkeit Indiens, sondern lediglich mehr politische
Mitspracherechte für die einheimische Bevölkerung. Ihre Mitglieder
waren vorwiegend Hindus und Parsen. Die muslimische Oberschicht blieb
auf Abstand. Deren Wortführer Sayyid Ahmad Khan befürchtete, dass sie
durch Einführung des Mehrheitsprinzips aus der Verwaltung gedrängt
würden. Stattdessen wurde 1906 die Muslimliga als Interessenvertretung
der Muslime gegründet.
Gewaltloser Widerstand: Mahatma
Gandhi auf dem Salzmarsch von 1930
Im Ersten Weltkrieg verhielt sich die große Mehrheit der
Bevölkerung loyal. Aus Verärgerung darüber, dass die Briten an der
Aufteilung des Osmanischen Reiches beteiligt waren, schlossen sich nun
auch viele Muslime der Unabhängigkeitsbewegung an. Der gewaltfreie
Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft, vor allem unter
Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru, führte 1947 zur Unabhängigkeit.
Gleichzeitig verfügte die Kolonialmacht die Teilung der
fast den gesamten indischen Subkontinent umfassenden Kolonie
Britisch-Indien in zwei Staaten, die säkulare Indische Union sowie die
kleinere Islamische Republik Pakistan. Die Briten erfüllten damit die
seit den 1930er Jahren lauter werdenden Forderungen der Muslimliga und
ihres Führers Ali Jinnah nach einem eigenen Nationalstaat mit
muslimischer Bevölkerungsmehrheit.
Entwicklungen seit der Unabhängigkeit
Die Teilung führte zur größten Vertreibungs- und
Fluchtbewegung der Geschichte. Ungefähr 10 Millionen Hindus und Sikhs
wurden aus Pakistan vertrieben, etwa 7 Millionen Muslime aus Indien.
750.000 bis eine Million Menschen kamen ums Leben. Die Vertreibung
nahezu aller Hindus und Sikhs aus dem Gebiet des damaligen West- und
Ostpakistan (heute Pakistan und Bangladesch) und der Vertreibung vieler
Muslime aus Indien gilt als Beispiel für eine sogenannte ethnische
Säuberung ohne unmittelbare Verursachung durch einen Krieg.
Die durch Schutzverträge an die Briten gebundenen
Fürstenstaaten hatten schon vor der Unabhängigkeit ihren Beitritt zur
Indischen Union erklärt. Lediglich zwei standen dem
Eingliederungsprozess der Fürstentümer ernsthaft im Weg. Der
muslimische Herrscher des fast ausschließlich hinduistischen Hyderabad
wurde durch einen Einmarsch indischer Truppen zu Fall gebracht. In
Kaschmir verzögerte der Maharaja, selbst Hindu bei überwiegend
moslemischer Bevölkerung, seine Entscheidung. Nachdem muslimische
Kämpfer in sein Land eingedrungen waren, entschied er sich schließlich
doch zum Beitritt zu Indien, welches daraufhin den größten Teil des
ehemaligen Fürstentums besetzte. Pakistan betrachtete den Beitritt als
unrechtmäßig, was zum Ersten Indisch-Pakistanischen Krieg um Kaschmir
(1947 bis 1949) führte. Seitdem schwelt in der Grenzregion der
Kaschmir-Konflikt, der 1965 auch den Zweiten Indisch-Pakistanischen
Krieg und 1999 den Kargil-Krieg zur Folge hatte.
Am 26. Januar 1950 trat die vor allem von Bhimrao
Ambedkar ausgearbeitete Verfassung in Kraft, durch die Indien zur
Republik wurde.
Grenzstreitigkeiten führten 1962 zu einem kurzen Krieg
mit der Volksrepublik China.
Die indische Unterstützung einer Unabhängigkeitsbewegung
im damaligen Ost-Pakistan führte 1971 zu einem dritten Krieg Indiens
gegen Pakistan mit folgender Teilung Pakistans und Gründung des neuen,
ebenfalls islamisch geprägten Staates Bangladesch.
Indira Gandhi mit US-Präsident
Richard Nixon (1971)
Innenpolitisch bestimmte unter Jawaharlal Nehru,
Premierminister 1947 bis 1964, und danach noch bis Anfang der 1970er
Jahre die Kongresspartei überlegen die junge, unabhängige Demokratie.
Oppositionsparteien konnten bestenfalls auf Bundesstaaten- oder
kommunaler Ebene ihren Einfluss geltend machen. Erst als Nehrus Tochter
Indira Gandhi, die 1966 Premierministerin wurde, die Partei
zentralisierte und ihre eigene Machtposition auszubauen versuchte,
gelang es der Opposition, sich auf Bundesebene zu formieren. Ein
Gericht in Allahabad befand Indira 1975 einiger Unregelmäßigkeiten bei
den Wahlen des Jahres 1971 für schuldig. Anstatt den
Rücktrittsforderungen ihrer politischen Gegner zu folgen, rief sie den
Notstand aus und regierte bis 1977 per Dekret. Demokratische
Grundrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit waren stark
eingeschränkt. Die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem de
facto diktatorischen Regime äußerte sich 1977 in einer deutlichen
Wahlniederlage Indira Gandhis. Zwischen 1977 und 1980 stellte daher
erstmals nicht die Kongresspartei, sondern eine linksgerichtete
Koalition unter Führung der Janata Party die Regierung Indiens.
In den Wahlen von 1980 gelang es Indira Gandhi, an die
Macht zurückzukehren. In ihre zweite Amtsperiode fällt die Zuspitzung
des Konflikts im Punjab, wo sikhistische Separatisten einen eigenen
Staat forderten. Als sich militante Sikhs im Goldenen Tempel in
Amritsar verschanzten, ordnete Indira Gandhi 1984 die Operation
Blue Star an. Indische Truppen stürmten den Tempel und beendeten
dessen Besetzung. Daraufhin kam es zu blutigen Ausschreitungen, die in
der Ermordung Indira Gandhis durch ihre Sikh-Leibwächtern gipfelten.
Ihr Sohn Rajiv Gandhi übernahm die Regierungsgeschäfte, war aber nicht
in der Lage, die von ihm geplanten Reformvorhaben wirkungsvoll
umzusetzen. Ein Bestechungsskandal im Zusammenhang mit dem schwedischen
Rüstungskonzern Bofors schädigte sein Ansehen schließlich dermaßen,
dass die Opposition 1989 einen klaren Sieg über Gandhis Kongresspartei
erringen konnte. Nach zweijähriger Unterbrechung gelangte sie von 1991
bis 1996 jedoch erneut an die Macht. Die Regierung von P. V. Narasimha
Rao leitete die wirtschaftliche Öffnung und außenpolitische
Neuorientierung des seit Nehru sozialistisch ausgerichteten Landes ein.
Zum Reformprogramm gehörten unter anderem die Privatisierung von
Staatsbetrieben, die Aufhebung von Handelsbeschränkungen, die
Beseitigung bürokratischer Investitionshemmnisse und Steuersenkungen.
Die Wirtschaftsreformen wurden von späteren Regierungen fortgeführt.
Seit den 1980er Jahren verzeichnet der
Hindu-Nationalismus einen deutlichen Aufschwung. Die Auseinandersetzung
um eine anstelle eines bedeutenden Hindutempels errichtete Moschee in
Ayodhya (Uttar Pradesh) entwickelte sich zu einer der bestimmenden
innenpolitischen Streitfragen. 1992 zerstörten hinduistische
Extremisten das muslimische Gotteshaus, was zu schweren Ausschreitungen
in weiten Teilen des Landes führte. Der politische Arm der
Hindu-Nationalisten, die Bharatiya Janata Party (BJP), führte zwischen
1998 und 2004 eine Regierungskoalition an und stellte mit Atal Bihari
Vajpayee den Regierungschef. 2004 unterlag sie jedoch überraschend der
neu aufgestellten Kongresspartei unter Sonia Gandhi. Die Witwe des 1991
während des Wahlkampfes ermordeten Rajiv Gandhi verzichtete nach
Protesten der Opposition wegen ihrer italienischen Abstammung auf das
Amt als Premierministerin. Stattdessen übernahm Manmohan Singh diese
Stellung, der als Finanzminister unter Rao die wirtschaftliche
Liberalisierung Indiens wesentlich mitgestaltet hatte.
Heute sind die fundamentalen Probleme Indiens trotz des
deutlichen wirtschaftlichen Aufschwungs noch immer die ausgedehnte
Armut als auch die starke Überbevölkerung, die zunehmende
Umweltverschmutzung sowie ethnische und religiöse Konflikte zwischen
Hindus und Moslems. Dazu tritt der fortdauernde Streit mit Pakistan um
die Region Kaschmir. Besondere Brisanz erhält der indisch-pakistanische
Gegensatz durch die Tatsache, dass beide Staaten Atommächte sind.
Indien hatte 1974 erstmals einen Atomtest durchgeführt. Auf weitere
Kernwaffenversuche im Jahre 1998 reagierte Pakistan mit eigenen
Atomtests.
Bevölkerung
Demographie
Bevölkerungsdichte
Menschenmassen in Mumbai
Mit 1,112 Milliarden Einwohnern ist Indien nach der
Volksrepublik China und vor den USA der zweitbevölkerungsreichste Staat
der Erde. Die Bevölkerungsdichte beträgt 329 Einwohner pro km²
(Deutschland: 231 pro km²). Gleichwohl sind nicht alle Landesteile
derart dicht besiedelt, vielmehr ist die Bevölkerung höchst
ungleichmäßig verteilt. Sie ballt sich vor allem in fruchtbaren
Landstrichen wie der Stromebene des Ganges, Westbengalen und Kerala,
während der Himalaya, die Berggegenden des Nordostens sowie trockenere
Regionen in Rajasthan und auf dem Dekkan nur eine geringe
Besiedlungsdichte aufweisen.
Am 11. Mai 2000 überschritt Indiens Bevölkerungszahl
offiziell die Milliardengrenze. Während es von 1920 – damals hatte
Indien 250 Millionen Einwohner – 47 Jahre bis zu einer
Verdoppelung der Bevölkerung dauerte, waren es von 1967 bis 2000 nur
noch 33 Jahre. Das Wachstum der Bevölkerung hat sich in den letzten
Jahrzehnten nur wenig abgeschwächt und liegt im Moment bei
1,4 Prozent pro Jahr, was einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von
15 Millionen Menschen entspricht. Damit verzeichnet Indien im Moment
den größten absoluten Zuwachs aller Staaten der Erde. Der relative
Zuwachs liegt jedoch nur wenig über dem Weltdurchschnitt. Schätzungen
der Vereinten Nationen zufolge wird Indien in den nächsten Jahrzehnten
sein Bevölkerungswachstum kaum abschwächen und die VR China bis zum
Jahre 2045 als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst haben. Das
Bevölkerungswachstum erklärt sich nicht aus einer gestiegenen
Geburtenrate, sondern aus der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen
Lebensdauer, das heißt der Reduktion der Sterberate. Dies ist unter
anderem auf eine Verbesserung der Gesundheitsfürsorge zurückzuführen.
In der Sterberate hatte Indien bereits 1991 mit Deutschland
gleichgezogen (10 pro 1.000), für 2005 wird sie auf 8,28 pro 1.000
geschätzt. Die Geburtenrate blieb allerdings hoch (1991: 30 pro 1.000)
und sinkt nur allmählich (2005: schätzungsweise 22,32 pro 1.000). Die
Fertilitätsrate (Anzahl der Kinder pro Frau) ging von 5,2 (1971) auf
3,6 (1991) zurück, für 2005 wird sie auf 2,78 geschätzt.
Das durchschnittliche Alter der indischen Bevölkerung
ist 26 Jahre (Median-Wert), während die durchschnittliche
Lebenserwartung für Männer 63,6 Jahre (1971 waren es nur 44 Jahre) und
für Frauen 65,2 Jahre (1971 waren es nur 46 Jahre) beträgt. In
Deutschland sind es zum Vergleich bei Männern 75 Jahre und bei Frauen
81 Jahre. Indien ist somit eines der wenigen Länder der Erde, in denen
die Lebenserwartung bei Männern und Frauen fast identisch ist. Es
gehört auch zu den Ländern, in denen es deutlich mehr Männer gibt: auf
1.000 Männer kommen 933 Frauen.
Als Folge der zunehmenden Verstädterung Indiens, bedingt
durch Landflucht und Naturkatastrophen, hat Indien heute 34 Städte mit
mehr als 1 Million Einwohner. Allein der Ballungsraum Mumbai hat
mittlerweile über 20 Millionen Einwohner und damit eine größere
Bevölkerung als ganz Australien. Dennoch stellt die städtische
Bevölkerung mit einem Anteil an der Gesamteinwohnerzahl von lediglich
28 Prozent eine Minderheit dar.
Schätzungsweise 25 Millionen indische Staatsbürger und
Personen indischer Herkunft (Non-resident Indians und Persons
of Indian Origin) leben im Ausland. Während englischsprachige
westliche Staaten wie die USA, Großbritannien und Kanada vor allem gut
ausgebildete Fachkräfte anziehen, sind in den Golfstaaten (besonders
Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait und Saudi-Arabien) viele Inder als
„Billigarbeitskräfte“ angestellt, seltener auch in höheren Positionen.
Während der britischen Kolonialzeit wurden Inder als Arbeiter in
anderen Kolonien angeworben, daher leben viele Personen indischer
Abstammung in Malaysia, Südafrika, Mauritius, Trinidad und Tobago,
Fidschi, Guyana und Singapur. Sie besitzen in der Regel die
Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes. Überweisungen von
Auslandsindern an ihre Angehörigen in Indien stellen einen bedeutenden
Wirtschaftsfaktor dar.
Nachfolgend sind Einwohnerzahlen Indiens zwischen 1700
und 2050 aufgeführt. Die Zahlen für 2025 und 2050 sind eine Prognose.
Bevölkerungsentwicklung Indiens
seit 1700 (beachte Gebietsstandänderung)
Jahreszahl |
Einwohner |
1700 |
137.026.000 |
1725 |
140.413.000 |
1750 |
155.212.000 |
1775 |
198.344.000 |
1800 |
255.000.000 |
1825 |
256.469.000 |
1850 |
283.496.000 |
1875 |
300.963.000 |
|
Jahreszahl |
Einwohner |
1900 |
271.306.000 |
1925 |
263.071.000 |
1950 |
350.445.000 |
1975 |
600.763.000 |
2000 |
1.014.003.800 |
2005 |
1.094.985.000 |
2025 |
1.370.028.000 |
2050 |
1.706.951.000 |
|
Die Zahlenangaben bis 1875 sind nach dem Gebietsstand
von Britisch-Indien, also einschließlich Bangladesch, Myanmar und
Pakistan berechnet, die Angaben ab 1900 nach dem heutigen Gebietsstand
der Republik Indien. Quelle: [1]
Ethnische Zusammensetzung und Konflikte
Indien ist ein Vielvölkerstaat, dessen ethnische
Vielfalt ohne weiteres mit der des gesamten europäischen Kontinents
vergleichbar ist. Etwa 72 Prozent der Bevölkerung sind Indoarier.
25 Prozent sind Draviden, die hauptsächlich im Süden Indiens
leben. Drei Prozent entfallen auf sonstige Völkergruppen, vor
allem tibeto-birmanische, Munda- und Mon-Khmer-Völker im Himalayaraum
sowie Nordost- und Ostindien.
8,2 Prozent der Einwohner gehören der indigenen
Stammesbevölkerung an, die sich selbst als Adivasi bezeichnet, obwohl
sie ethnisch höchst uneinheitlich ist. Die indische Verfassung erkennt
mehr als 600 Stämme als sogenannte scheduled tribes an. Sie
stehen meist außerhalb des hinduistischen Kastensystems und sind trotz
bestehender Schutzgesetze sozial stark benachteiligt. Hohe
Bevölkerungsanteile haben die Adivasi in der Nordostregion (besonders
in Mizoram, Nagaland, Meghalaya, Arunachal Pradesh, Manipur, Tripura,
Sikkim) sowie in den ost- und zentralindischen Bundesstaaten Jharkhand,
Chhattisgarh, Orissa und Madhya Pradesh. Auf Grund der sozialen
Diskriminierung genießen linksradikale Gruppierungen wie die
maoistischen Naxaliten bei Teilen der Adivasi starken Rückhalt. Dazu
kommen separatistische Bewegungen verschiedener Völker – etwa der
mongoliden Naga, Mizo und Bodo, aber auch der indoarischen Assamesen –
in Nordostindien, wo Spannungen zwischen der einheimischen Bevölkerung
und zugewanderten Bengalen, größtenteils illegale Einwanderer aus
Bangladesch, für zusätzliches Konfliktpotenzial sorgen.
Die Zahl der illegal eingewanderten Bangladescher in
Indien wird auf bis zu 20 Millionen geschätzt. Die rund 100.000 in
Indien lebenden Exiltibeter, die seit der chinesischen Besetzung Tibets
in den 1950er Jahren aus ihrer Heimat geflohen sind, werden dagegen
offiziell als Flüchtlinge anerkannt und besitzen eine
Aufenthaltsgenehmigung. Des Weiteren leben etwa 60.000 tamilische
Flüchtlinge aus Sri Lanka auf indischem Gebiet.
Soziale Probleme
Slum in Mumbai
Demonstration der
kommunistischen Partei CPI (M) in Agartala (Tripura)
Nach Angaben der Weltbank haben heute 44 Prozent der
Einwohner Indiens weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung.
Auch wenn die Ernährungssituation seit den 1970er Jahren entscheidend
verbessert werden konnte, ist noch immer mehr als ein Viertel der
Bevölkerung zu arm, um sich eine ausreichende Ernährung leisten zu
können. Unter- und Fehlernährung (z.B. Vitaminmangel) ist vornehmlich
in ländlichen Gebieten ein weit verbreitetes Problem, wo der Anteil der
Armen besonders hoch ist. So wird etwa Kinderarbeit hauptsächlich auf
dem Land geleistet, da das Einkommen vieler Bauernfamilien nicht zum
Überleben ausreicht. Hoch verschuldete Bauern müssen oft nicht nur ihr
Ackerland verkaufen, sondern auch ihre Dienstleistungen an die
Grundherren verpfänden. Dieses als Schuldknechtschaft bezeichnete
Phänomen stellt bis heute eines der größten Hindernisse in der
Armutsbekämpfung dar. Die schlechten Lebensbedingungen im ländlichen
Raum veranlassen viele Menschen zur Abwanderung in die Städte
(Landflucht). Dabei sind die wuchernden Metropolen des Landes kaum in
der Lage, ausreichend Arbeitsplätze für die Zuwanderer zur Verfügung zu
stellen. Das Ergebnis sind hohe Arbeitslosigkeit und
Unterbeschäftigung. Fast ein Drittel der Einwohner der Millionenstädte
lebt in Elendsvierteln. Dharavi in Mumbai ist mit mehr als einer
Million Menschen der größte Slum Asiens.
Ungefähr 16,2 Prozent der indischen Bevölkerung werden
zu den so genannten Unberührbaren (scheduled castes) gerechnet,
8,2 Prozent zählen zur indischen Stammesbevölkerung (Adivasi, offiziell
scheduled tribes). Da beide Gruppen starker sozialer
Benachteiligung ausgesetzt sind, sieht die indische Verfassung ihre
Förderung in Form von Quoten vor. Über diese „positive Diskriminierung“
werden in Universitäten, berufsbildenden Institutionen und Parlamenten
bis zu 50 Prozent der Plätze für die scheduled castes
(Angehörige der unteren Kasten) reserviert. Die Kastenfrage nimmt in
der indischen Innenpolitik eine höchst brisante Stellung ein. Eine
Ausweitung der Quoten auf niedere Kasten auf Vorschlag der umstrittenen
Mandal-Kommission rief 1990 heftige Proteste von Angehörigen höherer
Kasten hervor und führte zum Sturz von Premierminister Vishwanath
Pratap Singh.
Frauen sind in der patriarchalisch geprägten indischen
Gesellschaft trotz der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau
nach wie vor benachteiligt. Traditionell wurde Frauen zur Hochzeit eine
Mitgift zum Aufbau eines eigenen Haushalts mitgegeben. Heute werden
Brautgelder, obwohl sie seit Jahrzehnten gesetzlich untersagt sind, aus
rein wirtschaftlichen Erwägungen von den Eltern des Bräutigams
verlangt. In manchen Fällen übersteigen sie das Jahreseinkommen der
Familie der Braut. Gelegentlich kommt es zu so genannten
„Mitgiftmorden“, da die Angehörigen der Braut nicht in der Lage sind,
die hohen Forderungen zu erfüllen. Die Mitgiftproblematik trägt in
nicht unerheblichem Maße dazu bei, dass Mädchen meist geringer
angesehen sind als Jungen oder gar als unerwünscht gelten. Tatsächlich
werden weit mehr weibliche Föten abgetrieben als männliche.
Unzureichende Beratung in Fragen der reproduktiven
Gesundheit hat zur Folge, dass die Zahl der HIV-Infizierten rapide
steigt (derzeit 3,73 Fälle pro 1.000 Einwohner). Nach Schätzungen der
Vereinten Nationen könnten bis 2010 allein in Indien über zehn
Millionen Menschen an der Immunschwächekrankheit leiden.
Religionen
Hinduistischer Tempel in Mysore
In Indien entstanden vier der großen Religionen:
Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und Sikhismus. Der Islam kam infolge
von Eroberungen, das Christentum durch frühe Missionierung im ersten
Jahrhundert und dann durch den Kolonialismus, der Parsismus
(Zoroastrismus) aufgrund von Einwanderungen ins Land. Indien bietet
also eine außerordentlich reichhaltige Religionslandschaft. Obwohl der
Buddhismus über Jahrhunderte die bevorzugte Religion war, starb der
Hinduismus nie aus und konnte seine Stellung als dominierende Religion
langfristig behaupten. Im Mittelalter brachten indische Händler und
Seefahrer den Hinduismus bis nach Indonesien und Malaysia. Obwohl
Indien bis heute ein hinduistisch geprägtes Land ist, hat Indien nach
Indonesien und Pakistan die weltweit drittgrößte muslimische
Bevölkerung (etwa 140 Millionen), und nach dem Iran die zweitgrößte
Anzahl von Schiiten.
Die Religionen verteilen sich wie folgt: 80,5 %
Hindus, 13,4 % Moslems (hauptsächlich Sunniten), 2,3 %
Christen, 1,9 % Sikhs, 0,8 % Buddhisten, 0,4 % Jainas
und 0,6 % andere: (z. B. Adivasi, Baha'i, Parsen) (Quelle:
Census of India 2001)
Die Wurzeln des Hinduismus liegen im Veda (wörtl.:
Wissen), religiösen Texten, deren älteste Schicht auf etwa 1200 v. Chr.
datiert wird. Die Bezeichnung „Hinduismus“ wurde jedoch erst im 19.
Jahrhundert allgemein üblich. Er verbindet viele Strömungen mit
ähnlicher Glaubensgrundlage und Geschichte, die besonders bei den
Lehren von Karma, dem Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) und dem
Streben nach Erlösung übereinstimmen. Er kennt keinen Religionsstifter,
kein einheitliches Glaubensbekenntnis und keine religiöse
Zentralbehörde. Die wichtigsten populären Richtungen sind der
Shivaismus und der Vishnuismus. Religiöse Lehrer (Gurus) und Priester
haben einen großen Stellenwert für den persönlichen Glauben.
Die Adivasi (Ureinwohner) widersetzten sich oft den
Missionsversuchen der großen Religionen und behielten teilweise ihre
eigene Religion. Die indigenen Völker Indiens haben einiges mit dem
Hinduismus gemeinsam, so etwa den Glauben an die Reinkarnation, eine
äußere Vielfalt von Göttern und eine Art von Kastenwesen. Nicht selten
werden lokale Gottheiten oder Stammesgottheiten einfach in das
hinduistische Pantheon integriert – eine Herangehensweise, die
historisch zur Ausbreitung des Hinduismus beigetragen hat. Besonders
heute besteht eine starke Tendenz der „Hinduisierung“,
gesellschaftliche Sitten der Hindus und deren Formen der
Religionsausübung werden übernommen.
Der Buddhismus ist heute vor allem als „Neobuddhismus“
bei den unberührbaren Kasten populär, die auf diese Art und Weise
versuchen, den Diskriminierungen des Kastensystems zu entkommen. Ins
Leben gerufen wurde diese Bewegung durch den Rechtsanwalt Bhimrao Ramji
Ambedkar (1891-1956), der selbst einer unberührbaren Kaste angehörte.
Hinzu kommen die traditionell buddhistischen Gegenden wie Ladakh.
Die Parsen, die heute hauptsächlich in Mumbai leben,
bilden eine kleine, überwiegend wohlhabende und einflussreiche
Gemeinschaft (ca. 70.000 Menschen). Nicht zuletzt auch durch ihr
ausgeprägtes soziales Engagement spielen sie trotz geringer
Bevölkerungsanzahl in der indischen Gesellschaft eine wichtige Rolle.
In Europa sind sie durch ihre Bestattungsgepflogenheiten („Türme des
Schweigens“) bekannt. Auch die Jainas sind oft wohlhabend, da sie
aufgrund ihres Glaubens, der das Töten von Lebewesen verbietet,
überwiegend Kaufleute und Händler sind. Parsen und Jainas gehören meist
der Mittel- und Oberschicht an.
Die Mehrheit der indischen Muslime gehört der
sunnitischen Richtung an, außerdem leben mehr als 20 Millionen Schiiten
in Indien. Darüber hinaus existieren kleinere Glaubensrichtungen
innerhalb des Islam: Eher fundamentalistisch ist die Deobandi-Schule in
Deoband im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh, auf die sich unter
anderem die afghanischen Taliban berufen, wenn auch in radikal
verkürzter Interpretation. Die Situation der Muslime in Indien ist
schwierig. Sie sind ärmer und weniger gebildet als der Durchschnitt. In
Politik und Staatsdienst sind sie unterrepräsentiert. Zu bemerken ist
jedoch, dass der derzeitige Staatspräsident Indiens, Abdul Kalam, ein
Muslim ist.
Die Sikhs sind hauptsächlich im Nordwesten Indiens
(Punjab) beheimatet. Ihre Stellung in der Gesellschaft ist geprägt
durch den Erfolg vor allem im militärischen Bereich, aber auch im
politischen Leben. Der derzeitige indische Premierminister, Manmohan
Singh, ist ein Sikh.
53 n. Chr. soll ein Apostel Jesu, Thomas, nach Indien
gekommen sein und dort entlang der südlichen Malabarküste mehrere
christliche Gemeinden gegründet haben. Diese sogenannten
„Thomaschristen“ sind noch heute etwa im Bundesstaat Kerala zu finden
und machen einen erheblichen Prozentsatz der dortigen Bevölkerung aus.
Die indische christliche Kirche ist somit älter als die europäische.
Portugiesische Missionare führten im späten 15. Jahrhundert den
römischen Katholizismus ein und verbreiteten ihn entlang der Westküste,
etwa in Goa, so dass römische Katholiken heute den größten Anteil an
der christlichen Bevölkerung Indiens stellen. Die Briten zeigten zwar
wenig Interesse an der Missionierung, dennoch konvertierten viele
Stammesvölker im Nordosten (Nagaland, Mizoram, Meghalaya, Manipur,
Arunachal Pradesh) zur Anglikanischen Kirche oder anderen evangelischen
Konfessionen. In jüngerer Zeit traten auch Angehörige unberührbarer
Kasten sowie Adivasi zum Christentum über, um der Ungerechtigkeit des
Kastensystems zu entkommen.
Als Indien seine Unabhängigkeit erlangte, lebten auch
noch rund 25.000 Juden in Indien. Nach 1948 verließen jedoch die
meisten von ihnen ihre Heimat gen Israel. Heute wird die Zahl der in
Indien verbliebenen Juden auf 5.000 bis 6.000 geschätzt, wovon die
Mehrheit in Mumbai lebt.
Religiöse Konflikte
Der Laizismus, die Trennung von Staat und Religion,
zählt zu den wesentlichsten Grundsätzen des indischen Staates und ist
in seiner Verfassung verankert. Seit Jahrhunderten bestehen
verschiedene Glaubensrichtungen zumeist friedlich nebeneinander.
Dennoch kommt es zeitweise immer wieder zu regional begrenzten religiös
motivierten Auseinandersetzungen.
Ein seit der Gründung Indiens schwelendes Problem ist
der Hindu-Moslem-Konflikt. Bereits bei der Teilung Indiens 1947 und
beim Bangladesch-Krieg 1971 kam es zu massiven Ausschreitungen. Unruhen
zwischen Anhängern der beiden Glaubensrichtungen brechen in Indien in
gewissen Zeitabständen immer wieder aus. Geschürt werden sie seit den
späten 1980er Jahren durch den aufkeimenden Hindu-Nationalismus
(Hindutva). Einer der Höhepunkte der Auseinandersetzungen war die
Erstürmung und Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya (Uttar Pradesh)
durch extremistische Hindus im Dezember 1992, da das islamische
Gotteshaus einst an der Stelle eines bedeutenden Hindu-Tempels
errichtet worden war, welcher den Geburtsort Ramas markieren sollte.
Die letzten Unruhen traten 2002 in Gujarat auf, als 59 Hindu-Aktivisten
(kar sevaks) in einem Zug verbrannt wurden. Infolge der
eskalierenden Gewalt kamen etwa 2.000 Menschen um, hauptsächlich
Moslems. Die politische Situation in Kaschmir kostete seit 1989
aufgrund der Aktivitäten islamistischer Terroristen über 29.000
Zivilpersonen das Leben. Auch den indischen Sicherheitskräften werden
zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Kaschmir vorgeworfen.
Auch bei anderen Religionen traten Konflikte auf. Die
Forderungen sikhistischer Separatisten nach einem unabhängigen
Sikhstaat namens „Khalistan“ gipfelten 1984 in der Erstürmung des
Goldenen Tempels in Amritsar durch indische Truppen (Operation Blue
Star) und der Ermordung der damaligen Premierministerin Indira
Gandhi durch ihre eigenen Sikh-Leibwächter. Insgesamt kamen bei den
Unruhen im Jahre 1984 mehr als 3.000 Sikhs ums Leben.
Sprachen und Schriften
In Indien werden insgesamt 415 Sprachen und Idiome
gesprochen. Neben den beiden überregionalen Amtssprachen Hindi und
Englisch sind die folgenden 21 Sprachen als Nationalsprachen anerkannt:
Asamiya, Bengali, Bodo, Dogri, Gujarati, Kannada, Kashmiri, Konkani,
Maithili (seit 2003), Malayalam, Marathi, Meitei, Nepali, Oriya,
Punjabi, Santali, Sanskrit, Sindhi, Tamil, Telugu und Urdu. Englisch
ist Verwaltungs-, Unterrichts- und Wirtschaftssprache. Indien ist damit
das Land mit den meisten Amtssprachen weltweit.
Das Wort Sanskrit in
Devanagari-Schrift
Von den 23 Verfassungssprachen gehören sechzehn der
indoarischen, vier der dravidischen (Telugu, Tamil, Kannada und
Malayalam), eine der austroasiatischen (Santali) und eine der
tibetobirmanisch bzw. sinotibetischen Sprachfamilie (Meitei) an.
Erschwerend wirkt sich der Umstand aus, dass die meisten der Sprachen
– falls sie überhaupt geschrieben werden – unterschiedliche
Schriftsysteme aufweisen. Während für Hindi, Marathi, Nepali, Konkani
und Sanskrit eine gemeinsame Schrift verwendet wird (Devanagari),
werden Telugu, Tamil, Kannada, Malayalam, Gujarati, Oriya, Punjabi und
Santali durch eine jeweils eigene Schrift charakterisiert. Für Bengali,
Asamiya und Meitei (Manipuri) wird eine weitere Schrift (Bengalische
Schrift) verwendet. Urdu wird in arabischer Schrift geschrieben,
Kashmiri und Sindhi werden in arabischer Schrift oder auch in
Devanagari geschrieben. Jedes der von verschiedenen Sprachen
verwendeten Schriftsysteme beinhaltet ergänzende, sprachlich bedingte
Sonderzeichen.
In letzter Zeit gab es Versuche, den Gebrauch des
Sanskrit, welches ebenfalls eine Amtssprache ist, wiederzubeleben. Das Central
Board of Secondary Education (CBSE) hat in den Schulen, die es
reguliert, Sanskrit zur dritten der unterrichteten Sprachen gemacht. In
diesen Schulen ist der Sanskritunterricht für die fünften bis achten
Schulklassen obligatorisch.
Über die Beibehaltung des Status des Englischen als
Amtssprache wird alle 15 Jahre neu entschieden. Englisch gilt weiterhin
als Prestige-Sprache und wird nur von einer privilegierten Minderheit
der Bevölkerung fließend gesprochen. Wenn sich Menschen
unterschiedlicher Sprachgemeinschaften begegnen, sprechen sie im Norden
entweder Hindi oder Englisch miteinander, im Süden eine der
dravidischen Sprachen oder Englisch.
Neben den Amtssprachen sind auch noch Hindustani, der im
Norden Indiens weit verbreitete „Vorgänger“ von Hindi und Urdu,
Rajasthani als Oberbegriff der Dialekte Rajasthans und Mizo
erwähnenswert. Bihari ist der Oberbegriff für die Dialekte in Bihar,
wozu auch Maithili, Bhojpuri und Magadhi gehören.
Politik und Staat
Politisches System
Rashtrapati Bhavan (Wohnsitz des
indischen Präsidenten) in Neu-Delhi
Gemäß der Verfassung von 1950 ist Indien eine
parlamentarische Demokratie. Damit gilt es angesichts seiner
Einwohnerzahl als größte Demokratie der Erde. Das indische Parlament
ist die gesetzgebende Gewalt und besteht aus zwei Kammern: dem
Unterhaus (Lok Sabha) und dem Oberhaus (Rajya Sabha). Das Unterhaus
wird auf fünf Jahre nach dem Prinzip des Mehrheitswahlrechtes gewählt.
Wahlberechtigt ist jeder Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet
hat. Das Oberhaus ist die Vertretung der Bundesstaaten auf nationaler
Ebene. Seine Mitglieder werden von den Parlamenten der Staaten gewählt.
Die Parteienlandschaft des Landes ist äußerst vielfältig
(vgl. Liste politischer Parteien in Indien). Viele Parteien sind zwar
auf bestimmte Bundesländer beschränkt, dennoch ergibt sich immer wieder
die Notwendigkeit, Koalitionen zu bilden. Die „National Democratic
Alliance“ (NDA) war eine Koalition, die zu Beginn ihrer Regierungszeit
1998 aus 13 Parteien bestand (unter Führung der BJP).
Der Präsident als Staatsoberhaupt wird (ähnlich wie in
Deutschland) von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der
Länder auf fünf Jahre gewählt. Die eigentliche Macht hat jedoch der
Premierminister inne, der das Recht hat, das Parlament aufzulösen und
die Minister bestimmt, die der Präsident dann ernennt. Die Verfassung
sieht vor, dass Bundesstaaten unter president′s rule gestellt
werden können, wenn das Land als „unregierbar“ gilt. Dies war schon des
öfteren in Bihar der Fall. Den politischen Konventionen zufolge erteilt
der Premierminister dem Präsidenten einen entsprechenden „Rat“, der in
der Regel befolgt wird. Nach den Unruhen in Ayodhya ließ
Premierminister P. V. Narasimha Rao 1993 alle vier
BJP-Landesregierungen ihres Amtes entheben und die Länder unter president′s
rule stellen.
Rechtssystem
Der High Court des
Bundesstaates Karnataka in Bangalore
Da in Indien Gewaltenteilung herrscht, ist die
Judikative streng von Legislative und Exekutive getrennt. Oberster
Gerichtshof des Landes ist der Supreme Court in Neu-Delhi mit
26 Richtern, die vom Präsidenten ernannt werden. Den Vorsitz hat der Chief
Justice of India. Streitigkeiten zwischen den Staaten und der
Zentralregierung fallen in seine Zuständigkeit. Außerdem stellt er die
höchste Berufungsinstanz des Landes dar. Dem Supreme Court
untergeordnet sind 21 High Courts der Bundesstaaten.
Ab der dritten Rechtsebene (Distriktebene) wird zwischen
Zivil- und Strafgerichten unterschieden. Zivile Rechtsstreitigkeiten
fallen in den Metropolitan Districts (Stadtdistrikten) in den
Zuständigkeitsbereich der City Civil Courts, welche den
District Courts der Landdistrikte entsprechen. Für das Strafrecht
sind in Stadt- und Landdistrikten die Sessions Courts
verantwortlich. Außerdem existieren Sondergerichte für spezielle
Bereiche wie Familien- und Handelsrecht. Die Rechtsprechung einfach
gelagerter Streitfälle der untersten Ebene findet in den Panchayats
der Dörfer (Gram Panchayat) statt.
In Folge der britischen Rechtspraxis der Kolonialzeit
findet in Indien heute noch vielfach das Common Law Anwendung,
das sich nicht auf Gesetze, sondern auf maßgebliche Urteile hoher
Gerichte in Präzedenzfällen stützt. Die Gerichtssprache ist Englisch,
auf den unteren Ebenen kann aber auch in der jeweiligen regionalen
Amtssprache verhandelt werden.
Innenpolitik
Während des Unabhängigkeitskampfes bildete sich der
Nationalkongress, der die Kolonialherrschaft der Engländer beenden
sollte. Nach der Unabhängigkeit 1947 wurde die Kongresspartei (Symbol:
Handfläche) stärkste Partei und bildete unter Jawaharlal Nehru die
erste Regierung. Bis Mitte der 1990er Jahre dominierte die
Kongresspartei meist unter Führung der Nehru-Gandhi-Familie, mit nur
zwei kurzen Unterbrechungen, die Politik des Landes.
Erst im Zusammenhang mit der geplanten
„Wieder“errichtung des Ram Janmabhumi-Tempels anstelle der
Babri-Moschee in Ayodhya gelang es der Bharatiya Janata Party (BJP,
Indische Volkspartei, Symbol: Lotusblüte) mit nationalistischen Parolen
Unterstützung auf breiter Ebene zu finden. Dies gipfelte in dem Marsch
auf Ayodhya und dem Abriss der Moschee, der im ganzen Land zu
Ausschreitungen und Übergriffen, vor allem gegen Muslime, mit vielen
Toten führte. Die polarisierende und pro-hinduistisch ausgerichtete
Politik der BJP steht ganz im Zeichen der hindunationalistischen
Hindutva-Bewegung, die - auch unter Beteiligung von paramilitärischen
Gruppen, wie dem Nationalen Freiwilligencorps (Rashtriya Swayamsevak
Sangh, kurz RSS) - die Hinduisierung Indiens und in ihren extremen
Auswüchsen die Vertreibung der muslimischen und christlichen
Bevölkerung zum Ziel hat. Von 1998 bis 2004 stellte die BJP die
Regierung unter dem als eher gemäßigt geltenden Atal Bihari Vajpayee
als Premierminister.
Nach einem Anschlag auf einen Zug mit Pilgern im Jahre
2002 begannen Massaker in Gujarat, die von der dort regierenden BJP nur
halbherzig bekämpft wurden. Diese Unruhen haben dann doch wohl viele
moderate Hindus zu einem gewissen Umdenken gebracht, zumal die von der
Indischen Volkspartei hochgehaltene Vision eines Shining India
(„Strahlendes Indien“) weite Teile der Bevölkerung, die nicht vom Boom
der letzten Jahre profitierten, ob der hochgesteckten Ziele eher
skeptisch werden ließ.
Bei der Parlamentswahl 2004 erzielte die oppositionelle
Kongresspartei unter Sonia Gandhi einen unerwarteten Sieg. Überraschend
für ihre Parteienkoalition lehnte sie es ab, den Posten des
Premierministers zu übernehmen, Manmohan Singh wurde am 22. Mai 2004
als Premierminister vereidigt.
Außenpolitik
Vier Jahrzehnte lang war die indische Außenpolitik durch
das Engagement in der Bewegung der blockfreien Staaten und das
„besondere Freundschaftsverhältnis“ mit der Sowjetunion geprägt. Dies
wurde insbesondere durch Jawaharlal Nehru begründet. Das Ende des
Kalten Krieges brachte für Indien eine Neuorientierung mit sich. Die
historisch eher schwierigen Beziehungen zu den USA verbesserten sich
seit dem Besuch Bill Clintons in Indien im März 2000. Die USA bemühten
sich nun stärker um Indien als strategischen Partner. Hinsichtlich des
Kaschmir-Konflikts stützten die USA nun stärker die Haltung Indiens.
Nach dem 11. September 2001 stellte sich Indien ohne Einschränkung auf
die Seite der USA.
Heute werden die außenpolitische Ziele Indiens vor allem
durch das Bemühen, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu
erlangen, charakterisiert. Hierbei zieht Indien China als
Vergleichsmaßstab heran und strebt eine Statusaufwertung an. Indien
beansprucht aufgrund seiner Größe und zivilisatorischen Bedeutung
denselben Rang wie China, das jedoch anerkannte Atommacht mit ständigem
Sitz im UN-Sicherheitsrat ist.
Indien führte bereits zwei Atomtests durch, den ersten
1974 unter Indira Gandhi, den zweiten 1998 unter Atal Bihari Vajpayee.
Zwei Wochen nach dem letzten Versuch reagierte Pakistan mit eigenen
Atomtests. Sowohl Indien als auch Pakistan haben den
Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben. Die Beziehungen zwischen
beiden Staaten sind seit dem Ende der Kolonialzeit durch den
Kaschmirkonflikt belastet. Einen letzten Höhepunkt der „Eiszeit“
zwischen Indien und Pakistan bildeten die Gefechte in Kargil 1999.
Derzeit gibt es wieder aktive diplomatische Bemühungen zwischen Indien
und Pakistan, wie der Besuch des indischen Außenministers in Pakistan
dokumentiert.
Die Nukleartests im Mai 1998 wurden zwar immer mit dem
Verweis auf die chinesische Bedrohung gerechtfertigt (Angriff Chinas
von 1962), in erster Linie aber verfolgte Indien mit den Tests eine
internationale Statusaufwertung, welche auch die Gleichrangigkeit mit
China untermauern sollten. Tatsächlich stehen sich Indien und China
mittlerweile eher freundschaftlich gegenüber. Zunehmende
Handelsverflechtungen und die gegenseitige Anerkennung des Status quo
in Tibet durch Indien 2003 und Sikkim durch China 2004 haben zu einer
spürbaren Entlastung des politischen Verhältnisses beigetragen. Dennoch
bestehen noch immer Grenzstreitigkeiten um den chinesisch besetzten
Teil Kaschmirs (Aksai Chin) sowie den größten Teil des indischen
Bundesstaats Arunachal Pradesh.
Mit Bangladesch besteht seit Jahrzehnten Uneinigkeit
über Fragen der Wasserverteilung. Auch Grenzverlauf und -verkehr sind
teils umstritten. Belastend wirkt sich zudem die illegale Einwanderung
vieler Bangladescher nach Indien aus.
Indien ist eines der Gründungsmitglieder der Vereinten
Nationen sowie Mitglied zahlreicher weiterer internationaler
Organisationen, darunter Commonwealth, Internationaler Währungsfond und
Weltbank. In der Welthandelsorganisation ist Indien eine der treibenden
Kräfte in der G20 und der G33. Eine tragende Funktion besitzt es in der
South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC).
Bildungswesen
Regionale Verteilung der Lese-
und Schreibkenntnisse
In Indien besteht allgemeine Schulpflicht bei einem
Lebensalter von 6 bis 14 Jahren. Während dieses Zeitraumes ist der
Besuch öffentlicher Schulen kostenlos. Das Schulsystem umfasst vier
Hauptstufen: auf die fünfjährige Grundschule folgt die Mittelschule von
der sechsten bis achten Klasse, darüber die höheren Schulen und
schließlich die Hochschulen sowie Universitäten. Allgemein hat der
Staat in der Vergangenheit besonderes Augenmerk auf die Förderung von
höheren Bildungseinrichtungen gelegt, was den aus der Kolonialzeit
herrührenden elitären Charakter des Bildungswesens eher noch verstärkt
hat. Dennoch ziehen viele Angehörige der Mittel- und Oberschicht gerade
bei der höheren Bildung private Einrichtungen den staatlichen vor.
Heute werden zwar fast alle Kinder – zumindest
Jungen – tatsächlich eingeschult, in den höheren Klassenstufen
wird die Zahl der Abbrecher aber immer höher. Vor allem im ländlichen
Raum erhalten daher viele Kinder nur eine äußerst rudimentäre
Grundbildung. Weiterführende Schulen und höhere Bildungseinrichtungen
stehen dagegen meist nur in Städten zur Verfügung. Immerhin konnten
seit der Unabhängigkeit große Fortschritte bei der Alphabetisierung
erzielt werden. 2001 lag die Alphabetisierungsrate im
Landesdurchschnitt bei 64,8 Prozent (Männer: 75,3 Prozent, Frauen: 53,7
Prozent). 1991 hatte sie noch 52,2 Prozent betragen, 1951 sogar nur
18,3 Prozent.
Da das Bildungswesen größtenteils den Bundesstaaten
obliegt, weist es dementsprechend große regionale Unterschiede auf.
Dies äußert sich am deutlichsten in der sehr ungleichen
Analphabetenrate. Während sie in Kerala, dem Staat mit der höchsten
Alphabetisierungsrate, 2001 nur 9,1 Prozent betrug, war sie im
finanziell ärmsten Staat Bihar mit 53,0 Prozent fast sechsmal so hoch.
Ein weiteres Problem ist die Benachteiligung von Mädchen, deren
Einschulungsrate geringer ist als die von Jungen. An höheren
Bildungseinrichtungen liegt der Frauenanteil in der Regel deutlich
unter dem der Männer. Ein großer Schwachpunkt ist auch das bisher wenig
entwickelte Berufsschulwesen.
Gesundheitswesen
Daten zur Gesundheit (2005) |
Lebenserwartung |
64,35 Jahre |
Geburtenrate |
22,32 je 1000 Einwohner |
Sterberate |
8,28 je 1000 Einwohner |
Säuglingssterblichkeit |
56,29 auf 1000 Lebendgeburten |
Quelle: Indexmundi [2] |
Das Gesundheitswesen ist überwiegend staatlich. In
großen Städten gibt es auch private Krankenhäuser. Obwohl die
Gesundheitsbetreuung auf dem Land bereits erheblich verbessert wurde,
insbesondere durch Erste-Hilfe-Stationen in Dörfern, besteht noch ein
großes Stadt-Land-Gefälle. In vielen Dörfern gibt es keine
medizinischen Einrichtungen. Verschlimmert wird die Lage durch
schlechte hygienische Bedingungen, wie fehlender Zugang zu sauberem
Trinkwasser und Sanitäranlagen, sowie Unterernährung. Ähnliche
Bedingungen herrschen in städtischen Elendsvierteln. Weit verbreitet
sind nach wie vor Seuchen wie Malaria, Filariose, Tuberkulose, Cholera
und Lepra. Trotz aller Schwierigkeiten und Hemmnisse stieg die
Lebenserwartung bei Geburt von 53,3 Jahren 1980 auf 64,4 Jahre (Männer:
63,6 Jahre, Frauen: 65,2 Jahre) 2005. Früher war Indien eines der
wenigen Länder der Erde, in denen Männer eine höhere Lebenserwartung
aufwiesen als Frauen. In den letzten Jahren hat sich dies zwar
umgekehrt, dennoch sind Frauen bei der medizinischen Versorgung immer
noch benachteiligt.
Streitkräfte und Verteidigung
Mittelstreckenrakete Agni II
auf einer fahrbaren Startanlage (Militärparade zum Republic Day
in Neu-Delhi)
Indiens Militär besteht ausschließlich aus Freiwilligen,
eine Wehrpflicht gibt es nicht. Die offiziellen Streitkräfte sind die
drittgrößten der Welt. Sie umfassen 1,3 Millionen Soldaten, wovon 1,1
Millionen im Heer, 150.000 bei der Luftwaffe und 53.000 bei der Marine
dienen. Dazu kommen 800.000 Reservisten und 1,1 Millionen Mann in vor
allem bei internen Konflikten eingesetzten paramilitärischen Verbänden.
Zählt man letztere hinzu, hat nur Chinas Militär eine größere
Truppenstärke. Darüber hinaus verfügen die indischen Streitkräfte über
3264 Kampfpanzer, 733 Kampfflugzeuge, 199 Hubschrauber, 21
Schlachtschiffe und 17 U-Boote (Stand: 2005). Die Verteidigungsausgaben
im Jahr 2005 betrugen 18,86 Milliarden US-Dollar, das entsprach 3,0
Prozent des Bruttoinlandsproduktes sowie 17 US-Dollar je Einwohner.
Seit der Unabhängigkeit hat das indische Militär kaum Interesse an
einer politischen Einflussnahme gezeigt. Es ist der Zivilverwaltung
unterstellt, den militärischen Oberbefehl hat der Präsident.
Seit 1974 ist Indien inoffizielle Atommacht. Es verfügt
über selbst entwickelte Kurzstreckenraketen sowie die
Mittelstreckenrakete Agni mit einer Reichweite von bis zu
2.500 Kilometern, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden
kann. 2005 standen 74 Nuklearsprengköpfe zur Verfügung. Bis heute hat
Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, verzichtet
jedoch laut seiner Nukleardoktrin auf den nuklearen Erstschlag.
Indiens einzige Militärbasis im Ausland ist seit 2004
der Luftstützpunkt Farkhor in Tadschikistan.
Verwaltungsgliederung
Indien ist ein Mitglied im Commonwealth of Nations und
ist in 28 Bundesstaaten (States) und sieben Unionsterritorien (Union
Territories, einschließlich des Territoriums der Hauptstadt)
gegliedert, die sich in insgesamt 603 Distrikte oder Bezirke (Districts)
unterteilen. In größeren Bundesstaaten werden mehrere Distrikte zu
Divisionen (Divisions) zusammengefasst. Den Distrikten
untergeordnet sind die Blöcke (Tehsils oder Taluks), die
wiederum etwa 200 bis 600 Dörfer, welche die unterste Verwaltungsebene
darstellen, umfassen.
Während die Unionsterritorien von der Zentralregierung
in Neu-Delhi verwaltet werden, verfügt jeder Bundesstaat über ein
eigenes Parlament und eine eigene Regierung. Der Regierung eines
Bundesstaats steht der Chief Minister vor, der allerdings
formal einem vom indischen Präsidenten ernannten Gouverneur mit
weitgehend repräsentativen Aufgaben untergeordnet ist. Letzterem werden
bei Anwendung der President's Rule (siehe Abschnitt
Politisches System) die Regierungsgeschäfte übertragen.
Die Kommunalverwaltung obliegt in größeren Städten mit
mehreren hunderttausend Einwohnern den Municipal Corporations,
in kleineren Städten den Municipalities. Im ländlichen Raum
wird der dreistufige Panchayati Raj angewandt. Dieses System
umfasst gewählte Räte (Panchayats) auf Distrikt-, Block- und
Dorfebene. Die Zuständigkeiten der Kommunalverwaltungen sind je nach
Bundesstaat unterschiedlich gestaltet.
Vor der Unabhängigkeit umfasste Indien sowohl
selbstständige Fürstentümer unter britischer Aufsicht als auch
britische Provinzen, die von britischen Kolonialverwaltern regiert
wurden. Nach der Unabhängigkeit wurden die ehemaligen Fürstentümer von
einem ernannten Gouverneur, die ehemaligen Provinzen jedoch von einem
gewählten Parlament und einem gewählten Gouverneur regiert. Im Jahre
1956 beseitigte der States Reorganization Act die Unterschiede
zwischen ehemaligen Provinzen und Fürstentümern und schuf einheitliche
Bundesstaaten mit einer gewählten Regionalregierung. Bei der Neuordnung
der Bundesstaaten wurde die jeweilige Muttersprache der Bewohner als
Grundlage der Grenzziehung verwendet. Am 1. Mai 1960 wurde der
bisherige Staat Bombay in die neuen ethnischen Staaten Gujarat und
Maharashtra aufgeteilt. 2000 entstanden drei neue Bundesstaaten:
Jharkhand aus den südlichen Teilen von Bihar, Chhattisgarh aus den
östlichen Teilen von Madhya Pradesh, and Uttaranchal aus dem
nordwestlichen Teil von Uttar Pradesh.
Bundesstaaten
Bundesstaaten und
Unionsterritorien
AP |
Andhra Pradesh |
AR |
Arunachal Pradesh |
AS |
Assam |
BR |
Bihar |
CG |
Chhattisgarh |
GA |
Goa |
GJ |
Gujarat |
HR |
Haryana |
HP |
Himachal Pradesh |
JK |
Jammu und Kashmir |
JH |
Jharkhand |
KA |
Karnataka |
KL |
Kerala |
MP |
Madhya Pradesh |
MH |
Maharashtra |
MN |
Manipur |
ML |
Meghalaya |
MZ |
Mizoram |
NL |
Nagaland |
OR |
Orissa |
PB |
Punjab |
RJ |
Rajasthan |
SK |
Sikkim |
TN |
Tamil Nadu |
TR |
Tripura |
UA |
Uttaranchal |
UP |
Uttar Pradesh |
WB |
Westbengalen (West Bengal) |
Unionsterritorien
AN |
Andamanen und Nikobaren |
CH |
Chandigarh |
DN |
Dadra und Nagar Haveli |
DD |
Daman und Diu |
DL |
Delhi |
LD |
Lakshadweep |
PY |
Pondicherry |
Städte
Gateway of India in Mumbai
Hauptstadt Indiens ist Neu-Delhi in unmittelbarer Nähe
zu Delhi, das mit rund 11 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt
des Landes darstellt und mit mehr als 17 Millionen Einwohnern die
zweitgrößte Agglomeration. Delhi ist kultureller Mittelpunkt der
hindisprachigen Gemeinschaft des Nordens. Indiens größte Stadt und
wirtschaftliches Zentrum ist jedoch Mumbai (bis 1995 Bombay).
Die Metropole an der Westküste zählt fast 13 Millionen Einwohner, in
der Agglomeration rund 20 Millionen. An dritter Stelle folgt Bangalore.
In der 5-Millionen-Stadt im südlichen Dekkan-Hochland sind zahlreiche
Hochtechnologiefirmen angesiedelt, was ihr den Beinamen „Silicon Valley
Indiens“ eingebracht hat. Kolkata (bis 2001 Calcutta -
eingedeutscht zu Kalkutta), die wichtigste Metropole des
Ostens, liegt mit 4,6 Millionen Menschen an vierter Stelle. Es gilt als
intellektuelles Zentrum. Chennai (bis 1996 Madras), die mit 4,3
Millionen Einwohnern fünftgrößte Stadt Indiens, ist als kultureller
Mittelpunkt Südindiens und insbesondere der Tamilen bekannt.
Wirtschaft
Wachstum des indischen
Bruttoinlandsproduktes
Indien ist eine gelenkte Volkswirtschaft, die seit 1991
zunehmend dereguliert und privatisiert wurde. Seither erlebt das Land
ein großes Wachstum und profitiert besonders von der Globalisierung.
Mittlerweile ist Indien die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Erde mit
einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 600 Milliarden US-Dollar
(2003). Es zählt jedoch weiterhin zu den Entwicklungsländern.
Die indische Wirtschaft umfasst sowohl traditionell
bäuerliche Betriebe, moderne Agrarbetriebe, Handwerksbetriebe und
moderne Industrie, als auch eine breite Palette von
Dienstleistungsunternehmen. 59,4 Prozent der Bevölkerung arbeiten in
der Landwirtschaft. Sie profitieren nur selten direkt vom Hightechboom
in den Metropolen. Somit herrscht ein großes Einkommensgefälle zwischen
bäuerlicher Landbevölkerung und hochqualifizierten, städtischen
Fachkräften.
Die größten Wachstumssektoren sind die durch
Outsourcing, insbesondere amerikanischer Unternehmen, prosperierenden
Bereiche Hard- und Softwareherstellung, Call-Center, das Verlags- und
das Gesundheitswesen (Zahnbehandlung, plastische Chirurgie etc.).
Nach Schätzungen sind mehr als 200.000
Dienstleistungsjobs aus aller Welt schon nach Indien verlagert: demnach
werden die Aufträge bis 2010 einen Umfang von 1,1 Milliarden Dollar
haben.
Indiens internationale Zahlungsfähigkeit blieb 2001
stabil, was sich in leicht sinkenden Devisenkursen und angemessenen
Reserven an Auslandswährungen widerspiegelt. Das Wachstum des
Produktionsoutputs hat sich verlangsamt und die Kürzung der Stromzufuhr
in manchen Regionen dauert weiter an. Schlechte Straßen und
unzureichende Wasserversorgung sind an der Tagesordnung und bremsen die
Wirtschaftsentwicklungen massiv.
Das Haushaltsdefizit betrug im Jahr 2004
4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gegenüber 4,8 Prozent
im Vorjahr.
Landwirtschaft
Vielerorts, wie hier in Tamil
Nadu, ist Landwirtschaft noch immer Handarbeit in Indien.
Indien ist noch immer ein agrarisch geprägtes Land. 59,4
Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft erwerbstätig, deren
Anteil am Bruttoinlandsprodukt jedoch stark rückläufig ist. Trug sie
1956 noch 56 Prozent bei, so waren es 2003 gerade noch 22 Prozent. Seit
der Unabhängigkeit wurden große Fortschritte gemacht, vor allem im Zuge
der sogenannten „Grünen Revolution“ seit Mitte der 1960er Jahre. Die
großflächige Einführung von Hochertragssorten, der Einsatz von Dünge-
und Schädlingsbekämpfungsmitteln, die teilweise Mechanisierung der
Landwirtschaft und die Ausweitung der Bewässerungsflächen haben dazu
beigetragen, dass sich das Land heute mit Nahrungsmitteln weitestgehend
selbst versorgen kann. Dennoch ist Indiens Landwirtschaft noch
vergleichsweise ineffizient. Im ländlichen Raum sind viele Menschen
unterbeschäftigt, und eine umfassende Industrialisierung der
Landwirtschaft steht weiten Teilen des Landes erst noch bevor.
Lediglich im Punjab, der „Kornkammer Indiens“, ist sie bereits weiter
fortgeschritten.
Am wichtigsten ist der Anbau von Getreide, vor allem
Reis. Dessen Hauptanbaugebiete liegen in den fruchtbaren Stromebenen
des Nordens sowie entlang der Küsten und im östlichen Dekkan. Indien
ist nach China der zweitgrößte Reisproduzent der Erde. Ungefähr ein
Fünftel der weltweiten Erträge entfallen auf Indien. Auch beim Weizen,
dem zweitwichtigsten Anbauprodukt, liegt Indien weltweit an zweiter
Stelle. Weizen wird hauptsächlich in den nördlichen Bundesstaaten
Punjab, Haryana und Uttar Pradesh angebaut, aber auch im Norden und
Nordwesten des Dekkans sowie Gujarat und Bihar. In trockeneren
Landstrichen, wie Rajasthan, Gujarat und großen Teilen des Dekkans,
dominiert die Hirse. Mais und Gerste spielen eine geringere Rolle. Zur
Nahrungsmittelproduktion trägt zudem der Anbau von Hülsenfrüchten,
Kartoffeln, Zwiebeln, Ölsaaten (besonders Erdnüsse, Sojabohnen, Sesam,
Raps, Kokosnüsse), Mangos und Bananen bei.
Die wichtigsten kommerziellen Anbauprodukte sind
Baumwolle, Zuckerrohr, Tee, Tabak, Kaffee, Jute, Cashewnüsse, Gewürze
(vor allem Chili, Pfeffer, Kardamom, Ingwer, Koriander, Kurkuma, Zimt,
Knoblauch) und Betelnüsse.
Wenig effizient ist die indische Viehzucht, trotz des
größten Rinderbestandes der Erde. Da Vegetarismus weit verbreitet ist,
spielt die Fleischproduktion ohnehin nur eine untergeordnete Rolle.
Dafür werden Milch und Molkereierzeugnisse in großen Mengen hergestellt.
Fischerei
Nach der erfolgreichen Ertragssteigerung der
Landwirtschaft setzte ab den 1980er Jahren die Förderung der Fischerei
ein. Parallel zur „Grünen Revolution“ wurde dafür der Begriff der
„Blauen Revolution“ geprägt. Nachdem zunächst Kleinfischer mit
Außenbordmotoren versorgt worden waren, begann der Aufbau einer
modernen Schleppnetzflotte. Dies führte zwar zu einer wesentlichen
Erhöhung der Erträge, aber auch zur Überfischung vieler
Küstenabschnitte. Indiens wichtigste Fischgründe liegen an der
Westküste, wo rund 70 Prozent der Fangerträge erzielt werden. 2001 lag
Indien mit einer Fangmenge von 3,8 Millionen Tonnen weltweit an siebter
Stelle. Fisch und Garnelen werden heute in großen Mengen exportiert.
Die Garnelenzucht wird besonders gefördert. So stammen mittlerweile
etwa die Hälfte der Garnelen aus Aquakulturen, die seit den 1990er
Jahren vor allem an der Ostküste angelegt wurden.
Die traditionelle Binnenfischerei in Flüssen, Teichen
und Seen spielt besonders im Osten und Nordosten Indiens eine Rolle. Im
Umland von Delhi etabliert sich nun auch die kommerzielle Zucht von
Fischen, vor allem Karpfen.
Bergbau und Bodenschätze
Indien hat reichliche Vorkommen an hochwertigen Eisen-
und Manganerzen, Steinkohle, Bauxit und Chrom. Die größten
Rohstofflagerstätten befinden sich in Ostindien, vor allem Jharkhand,
Chhattisgarh und Orissa. Eisenerz, bei dessen Förderung das Land 2003
mit 100 Millionen Tonnen an weltweit vierter Stelle lag, kommt außerdem
in Goa, Karnataka und Tamil Nadu vor. Indien ist mit über 10 Millionen
Tonnen der fünftgrößte Förderer von Bauxit, dem wichtigsten Rohstoff
für Aluminium, der hauptsächlich in küstennahen Gebieten Gujarats und
Maharashtras sowie in Madhya Pradesh und Jharkhand abgebaut wird. Bei
Kupfer ist Indien trotz gesteigerter Ausbeute weiterhin auf Importe
angewiesen.
Obwohl Indien der weltweit drittgrößte Produzent von
Steinkohle ist, deckt es einen Teil seines Bedarfs mit qualitativ
hochwertigerer und billigerer Importkohle. Steinkohle ist der
wichtigste Energieträger des Landes. Die Vorkommen an Erdöl und Erdgas
reichen bei Weitem nicht aus, um die stetig steigende Nachfrage zu
decken. Nennenswerte Ölvorkommen gibt es nur in Assam, Gujarat, im Golf
von Cambay und vor der Küste von Maharashtra. Die eigene Produktion
deckt nur ein Drittel des Verbrauchs. Erdgaslagerstätten finden sich im
Golf von Cambay und werden erst seit den 1980er Jahren ausgebeutet.
Industrie
Während der Kolonialherrschaft wurde die Entwicklung der
Industrie – mit Ausnahme der schon frühzeitig bedeutsamen
Textilindustrie – eher gehemmt denn gefördert. Nach der Unabhängigkeit
forcierte man daher besonders den Ausbau von kapitalintensiven
Schlüsselindustrien. Dazu gehörten Stahl-, Maschinen- und chemische
Industrie. Die Konsumgüterherstellung wurde vernachlässigt und sollte
durch Kleinindustrie gedeckt werden. Um die ehrgeizigen Ziele zu
erreichen, setzte man nach dem Vorbild der Sowjetunion auf den Ausbau
der Schlüsselindustrien durch den Staat mittels Fünfjahresplänen. 2001
waren 21,9 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im Industriebereich
tätig. Die Wertschöpfung der Industrie betrug 26 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes.
Die Textilindustrie zählt dank der riesigen
Inlandsnachfrage und der Produktion für den Export auch heute noch zu
den größten und wichtigsten Wirtschaftszweigen Indiens. Leder wird
sowohl industriell als auch handwerklich in großen Mengen hergestellt
und verarbeitet. Da Hindus die Berührung und Verwertung von
Tierkadavern als unreine Arbeit ansehen, sind die meisten Angestellten
der Lederbranche Muslime oder „Unberührbare“. Neben diesen eher
traditionellen Industrien dominieren die Eisen- und Stahlerzeugung,
Maschinen-, Kraftfahrzeug- und chemische Industrie. Unter ihnen ist der
staatliche Anteil besonders hoch. Allerdings nimmt der Anteil privater
Betriebe seit der Liberalisierung der Wirtschaft in den 1980er und vor
allem frühen 90er Jahren zu. Die indische Pharmaindustrie gehört zu den
größten und fortgeschrittensten unter den Entwicklungsländern. Wegen
der indischen Patentschutzgesetzgebung, der Arzneimittel nur bedingt
unterlagen, kam es immer wieder zu Streitigkeiten mit den
Industrienationen, allen voran den USA. Mittlerweile hat Indien seine
Patentgesetze angepasst. Ein wichtiger Träger des wirtschaftlichen
Aufschwunges der letzten Jahre ist die Informationstechnologiebranche,
die teils dem industriellen, teils dem Dienstleistungssektor
zuzurechnen ist. Vor allem der Softwarebereich hat sich zu einem
bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Viele indische Städte verfügen
inzwischen über „Softwareparks“. Auch die Herstellung von Hardware
erlebt einen rasanten Aufschwung. Mit zweistelligen jährlichen
Wachstumsraten gewinnt auch die Biotechnologie an Bedeutung.
Die industrielle Produktion konzentriert sich auf wenige
städtische Großräume. Die wichtigsten Industriezonen sind daher die
Ballungsgebiete Mumbai-Pune, Ahmedabad-Vadodara-Surat, Delhi,
Kanpur-Lucknow, Chennai, Kolkata-Asansol sowie der Punjab und der Osten
Jharkhands.
Die Hochtechnologie ist vor allem im Süden des Landes
angesiedelt: Das Zentrum der Informationstechnologiebranche ist
Bangalore, als neues Wachstumszentrum der Biotechnologie hat sich
Hyderabad etabliert, besonders mit der Gründung des
Biotechnologiezentrums Genome Valley.
Außenhandel
Im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft sind Indiens
Außenhandelsverflechtungen eher gering. Dies ist in erheblichem Maße
auf die starke Binnenmarktorientierung in den Jahrzehnten nach der
Unabhängigkeit zurückzuführen. Seit der wirtschaftlichen Öffnung Anfang
der 90er Jahre, die unter anderem auch die Aufhebung vieler
Importbeschränkungen zur Folge hatte, verzeichnet der Außenhandel
jedoch einen deutlichen Aufschwung. Zwischen 1991 und 2004 hat sich der
Warenaustausch mit dem Ausland mehr als vervierfacht.
Indien ist ein wichtiger Exporteur von Rohstoffen und
Fertigprodukten, aber auch Arbeitskräften. Aus Indien kommen
Softwareprodukte und Programmierer; es verfügt über eine große Zahl gut
ausgebildeter Fachkräfte. Die wichtigsten Exportgüter sind Textilien,
Bekleidung, geschliffene und verarbeitete Edelsteine, Schmuck,
Chemikalien, Erdölerzeugnisse, Lederwaren und Softwareprodukte. Indien
importiert vor allem Rohöl, elektronische Erzeugnisse, Edelsteine,
Maschinen, Edelmetalle, Chemikalien und Düngemittel.
Außenhandel 2004/5: Umfang und Handelspartner |
Einfuhren 2004/5 |
Ausfuhren 2004/5 |
|
Land |
Umfang in Mrd. US-$ |
Anteil |
|
Land |
Umfang in Mrd. US-$ |
Anteil |
1 |
USA |
6,833 |
6,3 % |
1 |
USA |
13,271 |
16,5 % |
2 |
China (ohne Hongkong) |
6,769 |
6,2 % |
2 |
Vereinigte Arabische Emirate |
7,139 |
8,9 % |
3 |
Schweiz |
5,819 |
5,3 % |
3 |
China (ohne Hongkong) |
5,345 |
6,6 % |
4 |
Vereinigte Arabische Emirate |
4,567 |
4,2 % |
4 |
Singapur |
3,825 |
4,7 % |
5 |
Belgien |
4,567 |
4,2 % |
5 |
Hongkong |
3,660 |
4,5 % |
6 |
Deutschland |
3,892 |
3,6 % |
6 |
Großbritannien |
3,514 |
4,4 % |
7 |
Australien |
3,583 |
3,3 % |
7 |
Deutschland |
2,675 |
3,3 % |
8 |
Großbritannien |
3,498 |
3,2 % |
8 |
Belgien |
2,453 |
3,0 % |
9 |
Südkorea |
3,429 |
3,1 % |
9 |
Italien |
2,181 |
2,7 % |
10 |
Japan |
3,142 |
2,9 % |
10 |
Japan |
2,019 |
2,5 % |
11 |
Singapur |
2,585 |
2,4 % |
11 |
Frankreich |
1,609 |
2,0 % |
12 |
Indonesien |
2,537 |
2,3 % |
12 |
Bangladesch |
1,607 |
2,0 % |
13 |
Malaysia |
2,246 |
2,1 % |
13 |
Niederlande |
1,534 |
1,9 % |
14 |
Südafrika |
2,163 |
2,0 % |
14 |
Saudi-Arabien |
1,379 |
1,7 % |
15 |
Frankreich |
1,858 |
1,7 % |
15 |
Sri Lanka |
1,355 |
1,7 % |
|
Sonstige |
51,685 |
47,2 % |
|
Sonstige |
26,974 |
33,6 % |
|
Gesamte Einfuhren |
109,173 |
100,0 % |
|
Gesamte Ausfuhren |
80,540 |
100,0 % |
Quelle: Government of India, Ministry
of Commerce and Industry, Directorate General of Foreign Trade |
Fremdenverkehr
Der Fremdenverkehr hat sich zu einem der wichtigsten
Devisenbringer Indiens entwickelt. 2005 verzeichnete Indien mit 3,9
Millionen ausländischen Besuchern einen größeren Touristenzustrom als
je zuvor. Darunter sind allerdings auch viele Ausländer indischer
Herkunft, die vor allem in Nordamerika und Großbritannien leben und
ihren Verwandten in Indien regelmäßig längere Besuche abstatten.
Nichtsdestoweniger erzielte der Fremdenverkehrssektor 2005 Einnahmen
von 5,7 Milliarden US-Dollar aus der Ankunft ausländischer Gäste. Die
mit Abstand meistbesuchte Touristenattraktion ist das Taj Mahal in
Agra. Weitere beliebte Ziele sind Rajasthan, Delhi, Goa und Kerala.
Neben dem Kultur-, Strand- und Naturtourismus gewinnen auch
Abenteuerurlaub wie Trekking oder Rafting und Gesundheitstourismus
(Ayurveda) zunehmend an Bedeutung.
Infrastruktur
Straßenverkehr
Modernisierung des
Straßennetzes: Die rund 100 Kilometer lange Autobahn Mumbai-Pune, ein
Prestigeprojekt, wurde 2002 fertig gestellt.
Der wichtigste Verkehrsweg in Indien ist heute die
Straße. Schon in den 1970er Jahren hat der Straßenverkehr bei der
Güter- und Personenbeförderung die Eisenbahn überholt. Heute werden
rund 70 Prozent des Gütertransports und sogar 85 Prozent des
Personenverkehrs auf der Straße abgewickelt. Indiens Straßennetz
umfasst rund 3,3 Millionen Kilometer, wovon nur etwa die Hälfte
asphaltiert ist. Am wichtigsten sind die National Highways, die
über 65.000 Kilometer umfassen. Sie verbinden die größten Städte des
Landes untereinander. Als Schlagader gilt die Grand Trunk Road,
die von Amritsar an der pakistanischen Grenze über Delhi nach Kolkata
führt. Tatsächlich ist der weitaus größte Teil der National
Highways aber nur zweispurig und zudem oft in einem katastrophalen
Zustand. Bis Ende 2006 wird das Trapez Delhi-Kolkata-Chennai-Mumbai
(insgesamt fast 6.000 Kilometer) jedoch im Rahmen des Projektes „Golden
Quadrilateral“ („Goldenes Viereck“) zu vier- bis sechsspurigen
Autobahnen ausgebaut, was die Reise- und Transportzeiten zwischen den
großen Metropolen wesentlich verkürzen und die Straßeninfrastruktur
Indiens erheblich verbessern wird. Große Streckenabschnitte sind
bereits fertig gestellt. Problematisch bleiben die mehr als 130.000
Kilometer State Highways der Bundesstaaten, die sehr
unterschiedlichen Standards genügen und in ärmeren Staaten teilweise
nur einspurig sind.
In Indien herrscht Linksverkehr.
Schienenverkehr
Eisenbahnnetz Indiens
Die indische Eisenbahn spielt nach wie vor eine wichtige
Rolle bei der Waren- und Personenbeförderung. Knapp 30 Prozent des
Güter- und 15 Prozent des Personenverkehrs werden über die Schiene
abgewickelt. 2003/04 wurden 556 Millionen Tonnen Güter transportiert,
darunter vier Fünftel Massengüter wie Kohle, Erze, Getreide,
Mineralöle, Zement, Eisen und Stahl sowie Kunstdünger. Die indische
Staatsbahn (Indian Railways) ist in 16 Regionalgesellschaften
aufgeteilt und beschäftigt mit 1,6 Millionen Menschen mehr Angestellte
als jedes andere Staatsunternehmen des Landes. Alle Superlative können
jedoch kaum über den teils desolaten Zustand des Bahnnetzes
hinwegtäuschen. Hauptprobleme sind die ungleichmäßige und großmaschige
Erschließung des Landes, die zumeist veraltete Technik, die vier
verschiedenen Spurweiten (Breitspur, Meterspur, zwei Schmalspurweiten)
und der geringe Elektrifizierungsgrad. Nur etwa ein Viertel der
insgesamt 63.221 Kilometer Streckenlänge (Stand: 2003/04) ist
elektrifiziert. Indiens Eisenbahnnetz ist damit zwar knapp hinter China
das zweitlängste, aber keineswegs dichteste Asiens. Im weltweiten
Maßstab liegt Indiens Eisenbahnnetz an fünfter Stelle. Der Staat legt
sein Hauptaugenmerk vor allem auf die Elektrifizierung und den
doppelgleisigen Ausbau der Hauptstrecken, die Umwandlung von
Meterspurstrecken in Breitspur und die Modernisierung der technischen
Einrichtungen. Tatsächlich kann der Ausbau der Eisenbahn mit den
steigenden Anforderungen durch Bevölkerungs- und Industriewachstum kaum
Schritt halten, was zur schnellen Entwicklung des Straßenverkehrs
beiträgt.
Luftverkehr
Boeing 747-400 der staatlichen
Fluggesellschaft Air India
Auf Grund der riesigen Entfernungen innerhalb Indiens
und der vielerorts noch immer unterentwickelten Landinfrastruktur kommt
dem Luftverkehr eine zunehmend bedeutende Rolle zu. Die wichtigsten
Drehkreuze für Binnenflüge sind Delhi (Indira Gandhi International
Airport), Mumbai (Chhatrapati Shivaji International Airport), Kolkata
(Netaji Subhash Chandra Bose International Airport), und Chennai
(Chennai International Airport) als Kernpunkte ihrer jeweiligen Region.
Flugverbindungen zwischen den größten Städten Indiens bestehen
mittlerweile mehrmals täglich. Besonders für den Anschluss abgelegener
Regionen, wie der Bundesstaaten des Nordostens, die auf dem Landweg nur
äußerst schlecht zu erreichen sind, sind sie von enormer Bedeutung,
wenngleich nur eine wohlhabende Minderheit die finanziellen Mittel
aufbringen kann, als Verkehrsmittel das Flugzeug zu nutzen. Allerdings
stellen die geringe Größe und schlechte Anbindung der überlasteten
Flughäfen eine große Schwierigkeit dar. In vielen Städten sind daher
Flughafenerweiterungen oder -neubauten in Planung oder bereits im Gange.
Früher wurde der Luftverkehr von den beiden staatlichen
Fluggesellschaften Air India (internationale Flüge) und Indian Airlines
(Inlandsflüge) dominiert. Mittlerweile existieren mehrere private
Fluggesellschaften, die innerhalb Indiens bereits einen Marktanteil von
40 Prozent erobert haben. Die meisten davon sind jedoch bisher nur auf
Inlandsflügen zugelassen. Des Weiteren gewinnen die sogenannten
"Billigairlines" in Indien weiter an Marktanteil. Insbesondere Air
Deccan punktet mit einem großen Streckennetz und guten Angeboten. Im
internationalen Luftverkehr bekommen die beiden untereinander stark
konkurrierenden staatlichen Unternehmen auch immer mehr Konkurrenz
durch europäische und asiatische Gesellschaften. Die wichtigsten
internationalen Flughäfen befinden sich in Delhi, Mumbai, Chennai,
Bangalore, Kolkata und Thiruvananthapuram.
Überseeverkehr
Da Indien durch seine geographische Lage von den
Handelspartnern in den Nachbarregionen Ost-, Südost- und Vorderasien
abgeschnitten ist, und die unmittelbaren Nachbarn beim gegenseitigen
Güteraustausch aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen nur eine
untergeordnete Stellung einnehmen, wird der Außenhandel fast
ausschließlich über Seehäfen abgewickelt. Rund 90 Prozent des
Warenumschlags im Überseeverkehr entfallen auf Indiens 12 größte Häfen.
Daneben existieren viele mittlere und kleinere Häfen, die aber nicht
für große Schiffe und Containerumschlag geeignet sind und daher fast
nur von Küstenschiffen angelaufen werden.
Die beiden größten indischen Werften in Kochi und
Visakhapatnam sind in staatlichem Besitz. Darüber hinaus existiert eine
Vielzahl kleinerer privater und staatlicher Werften. Die Handelsflotte
Indiens umfasste 2004 knapp 400 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von
rund 11 Millionen tdw.
Güterumschlag 2004/05 in den 12
größten Seehäfen Indiens |
|
Seehafen |
Bundesstaat |
Güterumschlag in Mio. t |
Anteil |
1 |
Visakhapatnam |
Andhra Pradesh |
50,19 |
13,1 % |
2 |
Kolkata (einschließlich Haldia) |
Westbengalen |
46,15 |
12,0 % |
3 |
Chennai |
Tamil Nadu |
43,80 |
11,4 % |
4 |
Kandla |
Gujarat |
41,54 |
10,8 % |
5 |
Mumbai |
Maharashtra |
35,12 |
9,2 % |
6 |
Mangalore |
Karnataka |
33,89 |
8,8 % |
7 |
Jawaharlal Nehru Port (Navi Mumbai) |
Maharashtra |
32,94 |
8,6 % |
8 |
Mormugao |
Goa |
30,66 |
8,0 % |
9 |
Paradip |
Orissa |
30,10 |
7,8 % |
10 |
Tuticorin |
Tamil Nadu |
15,81 |
4,1 % |
11 |
Kochi |
Kerala |
14,09 |
3,7 % |
12 |
Ennore |
Tamil Nadu |
9,48 |
2,5 % |
|
12 größte Häfen |
Indien |
383,77 |
100,0 % |
Quelle: The Hindu
Business Line [3] |
Binnenschifffahrt
Die Flussschifffahrt ist für die Verkehrssituation
Indiens von vernachlässigbar geringer Bedeutung. Dies hat vor allem
geographische Ursachen. Einerseits sind die Wasserstände der indischen
Flüsse auf Grund des Monsuns starken jahreszeitbedingten Schwankungen
unterworfen. Während des Sommermonsuns erhöhen die größeren
Wassermengen die Fließgeschwindigkeit erheblich. Dies führt zu starken
Strömungen, plötzlichen Änderungen von Flussläufen oder Erosion von
Uferabschnitten, was die Schifffahrt erschwert oder unter Umständen
sogar unmöglich macht. In der Trockenzeit wird sie vielerorts durch zu
niedrige Wasserpegel behindert; Andererseits liegen die schiffbaren
Flüsse meist ohnehin abseits wichtiger Lagerstätten von Rohstoffen und
Bodenschätzen, welche die Hauptbeförderungsgüter der Binnenschifffahrt
darstellen. Zudem liegen die bedeutendsten Seehäfen Indiens selten an
der Mündung größerer Flüsse. Lediglich in Goa spielt die
Binnenschifffahrt beim Transport von Eisenerz aus dem Landesinneren an
die Küste eine größere Rolle.
Energie
2001 verfügten 55,8 Prozent der indischen Haushalte über
einen Stromanschluss (im ländlichen Bereich 43,5 Prozent, in den
Städten 87,6 Prozent). Häufige Stromausfälle beeinträchtigen jedoch
immer wieder die Verfügbarkeit von Elektrizität. Der gegenwärtige
Stromverbrauch von 560 kWh pro Einwohner gehört zu den niedrigsten der
Welt. Die Hälfte des Energiebedarfs wird durch Kohle, ein Viertel durch
Erdöl, -gas und Wasserkraft, ein Fünftel durch Viehdung, Feuerholz und
anderes sowie ein Zwanzigstel durch Kernenergie gedeckt. Indien verfügt
über 15 Kernreaktoren; acht weitere sind im Bau. Da Indien den
Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, sind europäische und
amerikanische Firmen an den Bauarbeiten nicht beteiligt.
Telekommunikation
Die Verbreitung von Telekommunikation und Computern ist
in Indien auch heute noch von einem starken Stadt-Land-Gefälle geprägt.
Häufig sieht man in den Straßen ein sogenanntes Public Call Office
(PCO). Dies sind öffentliche Telefone, die in der Regel an einem
kleinen Straßenstand betrieben werden. Dabei handelt es sich meist
nicht um einen Münzfernsprecher, sondern um ein normales Telefon, für
dessen Benutzung persönlich kassiert wird. Von den üblichen PCO sind
nur nationale Gespräche (STD) möglich, weshalb für internationale
Gespräche (ISD) besondere, internationale PCOs aufgesucht werden müssen.
Telefonanschlüsse pro 1000
Einwohner |
45,93 |
Mobiltelefone pro 1000 Einwohner |
24,56 |
Fernsehgeräte pro 1000 Einwohner |
91,07 |
Rundfunkgeräte pro 1000
Einwohner |
127,69 |
Computer pro 1000 Einwohner |
13,68 |
Internetnutzer pro 1000 Einwohner |
21,13 |
|
Quelle: CIA World Factbook 2005 |
Umweltschutz
Das wachsende Verkehrsaufkommen
trägt zur Luftverschmutzung in den Großstädten bei.
Indien verfügt zwar über eine umfangreiche
Umweltschutzgesetzgebung, die aber in vielen Fällen nur mangelhaft
umgesetzt wird. Knapp fünf Prozent der Landesfläche sind als
Naturschutzgebiete ausgewiesen, deren Zahl sich auf fast 600 beläuft,
darunter 92 Nationalparks.
Zu den größten Umweltproblemen des Landes gehört die
Wasserknappheit. Staudämme und künstliche Bewässerungssysteme sollen
die Wasserversorgung in trockenen Gebieten sicherstellen. Übermäßige
Bewässerung ist jedoch einer der Hauptgründe für die vielerorts
sinkenden Grundwasserspiegel; zudem sind schätzungsweise 60 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzflächen von Bodenerosion, Versalzung oder
Vernässung betroffen. Darüber hinaus wird übermäßig bewässert, gedüngt
und abgeholzt. Obwohl sich die Wasserversorgungslage der Haushalte in
den ländlichen Gebieten seit Anfang der 1980er Jahre verbessert hat,
verfügen nur wenige Haushalte über eine Abwasserentsorgung.
Verschmutztes und verseuchtes Wasser trägt wesentlich zur Entstehung
und Verbreitung von Infektionskrankheiten bei; nur 16 Prozent der
Einwohner Indiens haben Zugang zu sanitären Anlagen.
Die Luftverschmutzung ist insbesondere in den indischen
Metropolen bedenklich. Der hohe Gehalt an Feinstaub stellt das größte
Problem dar. Die Ursachen liegen sowohl in Fabrikanlagen,
Kleinindustrie, Kraftwerken und Verkehr als auch in den privaten
Haushalten. Kolkata war 1984 die erste Stadt, die ein U-Bahnnetz in
Betrieb nahm, 2002 folgte Delhi. Mumbai und Chennai verfügen über ein
vergleichsweise gut ausgebautes Zugnetz. Die öffentlichen Busse,
Autorikshas und privaten PKW tragen jedoch nach wie vor zur
Luftverschmutzung der Städte bei, wenngleich die PKW-Nutzung mit 7,61
PKW pro 1.000 Einwohnern gering erscheint. Der Ausstoß von
Kohlenstoffdioxid nimmt in Folge der fortschreitenden
Industrialisierung und eines stetig wachsenden Verkehrsaufkommens und
Energiebedarfs schnell zu.
Die unzureichenden technischen Anlagen in Fabriken
führen immer wieder zu Beeinträchtigungen. In Bhopal traten 1984 in der
Pestizidfabrik der amerikanischen Union Carbide Corporation (UCC)
giftige Gase aus. Innerhalb von Tagen verstarben 7.000 Menschen. 15.000
weitere starben im Laufe der Jahre an den Folgen, während Tausende
unter chronischen und lähmenden Krankheiten litten. Auch 20 Jahre nach
dem Vorfall ist das Gelände noch immer nicht bereinigt, die von der UCC
zugesagten Schadenszahlungen wurden nie vollständig ausgezahlt.
Kultur
Die indische Kultur gehört zu den ältesten und
mannigfaltigsten Kulturen der Erde. Sie war prägend für ganz Süd- und
Südostasien. Der Glaube spielt in Indien, dem Ursprungsland mehrerer
Religionen (Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Sikhismus), von jeher
eine herausragende Rolle und hat so auch die Kultur des Landes
entscheidend geprägt. Die geradezu unüberschaubare Vielfalt an Sprachen
und Völkern hat zudem regionale Besonder- und Eigenheiten
hervorgebracht. Aber auch fremde Einflüsse wie etwa der Islam oder
europäische Kolonialmächte hinterließen ihre Spuren.
Mit vielen kulturellen Veranstaltungen ist Indien
Gastland der Buchmesse 2006 in Frankfurt am Main.
Architektur
In der Architektur Indiens spiegeln sich die
verschiedenen kulturellen Einflüsse, die das Land prägten, wider. Neben
Palast- und Festungsbauten ragt vor allem die Sakralarchitektur heraus.
In frühester Zeit wurden Holz, Lehm und gebrannte Ziegel
als Baumaterialien verwendet. Die ältesten erhaltenen Überreste
indischer Architektur stammen aus der Induskultur, die sich
hauptsächlich auf dem Gebiet des heutigen Pakistan, aber auch in
Gujarat und dem indischen Teil des Punjab ausbreitete.
Großer Stupa von Sanchi (Madhya
Pradesh)
Die ältesten vollständig erhaltenen Bauwerke sind
buddhistische Stupas. Stupas sind auf einer rechteckigen
Plattform stehende kuppelförmige Bauten. Im Inneren wird in der Regel
eine Reliquie aufbewahrt. Tatsächlich entwickelte sich der Stupa aus
Grabhügeln, wie sie schon in vedischer Zeit üblich waren. Jeder Teil
des Stupa hat eine symbolische Bedeutung, als Ganzes stellt er den
Weltenberg Meru dar. Als herausragendstes Beispiel gilt der Große Stupa
von Sanchi (Madhya Pradesh) aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert. Des
Weiteren entstanden buddhistische Klosteranlagen mit Gebetshallen (Chaitya-Halle)
und Wohnzellen für Mönche (Vihara), wie in den Höhlen von Ajanta
und Ellora (Maharashtra, 2. Jahrhundert v. Chr. bis 7. Jahrhundert n.
Chr.). Mit dem Niedergang des Buddhismus in Indien, mit Ausnahme der
Himalayaregion, ab dem 10. Jahrhundert kam die Entwicklung der
buddhistischen Architektur zum Ende. Sie wurde in Ost- und Südostasien
sowie Sri Lanka und Tibet fortgeführt.
Zeitgleich zur buddhistischen Baukunst bildete sich die
jainistische Architektur heraus. Jainistische Tempel sind meist nach
außen geöffnet, um Licht einzulassen. Außerdem weisen sie besonders
kunstvolle, filigrane Steinmetzarbeiten auf. Zu den schönsten
Beispielen gehören der Tempel von Ranakpur (15. Jahrhundert) in
Rajasthan und die unzähligen Bauten der Pilgerstadt Palitana in
Gujarat. In Südindien entwickelten sich eigenständige Stilelemente.
Berühmt ist das eindrucksvolle Monolithstandbild eines Asketen in
Shravana Belgola (Karnataka) aus dem 10. Jahrhundert.
Sonnentempel von Konark (Orissa)
Für hinduistische Tempel wurden bis in die ersten
nachchristlichen Jahrhunderte ausschließlich wenig dauerhafte
Baustoffe, vor allem Holz und Lehm, verwendet. Die ersten Steintempel
griffen jedoch den Stil ihrer Vorgänger auf. Grundsätzlich hat jeder
Bestandteil eine symbolische Bedeutung. Alle hinduistischen Tempel
versinnbildlichen den Kosmos, während der Tempelturm den mythologischen
Berg Meru darstellt. Dennoch entstanden ab dem 7. Jahrhundert zwei
verschiedene Hauptstilrichtungen, die sich am deutlichsten in der Form
des Turmes unterscheiden. Der nordindische Nagara-Stil zeichnet sich
durch den bienenkorbförmigen Turm über dem Allerheiligsten aus, der als
Shikhara bezeichnet wird. In Südindien dominiert
der Dravida-Stil, der durch einen Vimana genannten,
treppenförmig aufsteigenden Turm gekennzeichnet ist. Später bildete
sich als weiteres Merkmal das stilistisch ähnliche Gopuram
(auch Gopura) über dem Eingangstor heraus. Herausragende
Baudenkmäler im Nagara-Stil sind der im 10. Jahrhundert erbaute
Mukteshvara-Tempel in Bhubaneshwar (Orissa), der Sonnentempel von
Konark (Orissa) aus dem 13. Jahrhundert und die hinduistischen Tempel
des 10. und 11. Jahrhunderts in Khajuraho (Madhya Pradesh). Die
berühmtesten Dravida-Tempel stehen in den tamilischen Städten Thanjavur
(Brihadisvara-Tempel, 10. Jahrhundert) und Madurai (Minakshi-Tempel,
16. bis 17. Jahrhundert). In Hampi (Karnataka) sind zahlreiche Sakral-
und Profanbauten erhalten. Frühe Vorläufer des Dravida-Stils aus dem 7.
und 8. Jahrhundert befinden sich in Mahabalipuram (Tamil Nadu).
Taj Mahal in Agra (Uttar Pradesh)
Mit dem Vordringen des Islam nach Nordindien ab dem 12.
Jahrhundert verbreitete sich auch die islamische Architektur. Frühe
Moscheen wurden häufig anstelle hinduistischer Tempel errichtet oder
bezogen sogar Teile davon mit ein. Das berühmteste Bauwerk dieser Zeit
ist das Minarett Qutb Minar (12. Jahrhundert) in Delhi. Im Laufe der
Zeit vermischte sich die islamische Architektur mit hinduistischen
Elementen zu einer eigenständigen indisch-islamischen Baukunst, die
unter den Moguln zu höchster Blüte gelangte. Die prunkvolle
Mogularchitektur hat einige der bedeutendsten Bauwerke Indiens
hervorgebracht, etwa das Taj Mahal in Agra (Uttar Pradesh), das Shah
Jahan im 17. Jahrhundert als Grabmal für seine Frau errichten ließ,
oder die Paläste von Fatehpur Sikri. Auch in anderen muslimischen
Staaten Indiens entstanden kunstvolle Bauten, etwa das Mausoleum Gol
Gumbaz in Bijapur (Karnataka) aus dem 17. Jahrhundert.
Die britische Kolonialzeit gab der indischen Architektur
ab dem 19. Jahrhundert neue Anstöße. Aus der Verschmelzung europäischer
und indischer Elemente ging der indo-sarazenische Stil hervor.
Beispiele dafür sind der Chhatrapati Shivaji Terminus in Mumbai, die
meisten Gebäude der indischen High Courts und auch unzählige Bauten in
der ehemaligen Kolonialhauptstadt Kolkata. In Goa stehen Kirchen und
Klöster aus der portugiesischen Kolonialzeit, die bedeutendsten davon
in Velha Goa. Unter europäischem Einfluss standen auch neuere
Palastbauten indischer Herrscher, wie der Amba Vilas in Mysore
(Karnataka).
Bei der modernen Architektur Indiens ragen die Planstadt
Chandigarh des Architekten Le Corbusier, der Campus des Indian
Institute of Management in Ahmedabad (Gujarat) und der lotusförmige
Baha'i-Tempel in Neu-Delhi heraus.
Literatur
Rabindranath Tagore,
Literaturnobelpreisträger von 1913
Die indische Literatur ist eine der ältesten der Welt.
Allerdings ist zu beachten, dass es zu keiner Zeit nur eine „indische“
Literatur gegeben hat, sondern im Gegenteil viele Literaturen der
zahllosen alten und modernen Sprachen Indiens.
Die ältesten Werke wurden in Sanskrit, Pali und Tamil
verfasst. Zu den herausragendsten Sanskrit-Werken gehören die Veden aus
dem 13. bis 5. Jahrhundert v. Chr., die Upanishaden (etwa 700 v. Chr.
bis 500 v. Chr.) sowie die beiden großen Epen Mahabharata und Ramayana.
Sie haben mythologisch-religiöse Themen des Hinduismus zum Inhalt.
Darüber hinaus entstanden viele andere bedeutende Werke auf den
verschiedensten Gebieten, etwa Religion, Philosophie, Staatskunst und
Wissenschaft. Mit dem Aufstieg des Buddhismus ab dem 5. vorchristlichen
Jahrhundert wurde Pali zu einer bedeutenden Literatursprache, die unter
anderem die Schriften des Theravada-Buddhismus hervorbrachte.
In Südindien entwickelte sich als erstes Tamil zur
klassischen Literatursprache. Die ältesten Werke entstanden vor rund
2000 Jahren. Aus der Blütezeit des frühen Tamil stammt die
Sangam-Literatur. Sie enthält neben heroischen Werken über Könige und
Kriege vor allem Liebeslyrik. Später traten Kannada, Telugu und
Malayalam als bedeutende Schriftsprachen hervor.
Im Mittelalter trat mit dem Islam eine neue
Geistesströmung auf, die großen Einfluss auf die Literatur Indiens
ausübte. Gleichzeitig verlor Sanskrit immer mehr an Bedeutung. Aus ihm
bzw. den mittelindischen Prakritsprachen gingen neue Sprachen wie
Hindustani, Bengali, Punjabi und Marathi hervor, die allesamt ihre
eigene Literaturtradition entwickelten. Religiöse Dichtungen des
Hinduismus wurden nun in den Regionalsprachen verfasst, die auch vom
Volk verstanden werden konnten, und widmeten sich zunehmend der Bhakti,
der hingebungsvollen Verehrung Gottes. Herausragende Vertreter dieser
neuen Literatur sind unter anderem Tulsidas, Kabir und Mirabai im
Hindi, Dnyaneshwar im Marathi oder Narsinh Mehta im Gujarati.
Bemerkenswert ist die Verschmelzung von
islamisch-persischen und indischen Elementen in der Urdu-Dichtung.
Einige der schönsten Liebesgedichte wurden in dieser Sprache
geschrieben, die schließlich zur Hofsprache der Moguln wurde und ab dem
17. Jahrhundert zur Blüte kam. Höchsten Ruhm erlangten die Ghaseln des
Dichters Mirza Ghalib und die Werke des heute vor allem in Pakistan
verehrten Muhammad Iqbal.
Im 19. Jahrhundert verstärkte sich der westliche
Einfluss auf die indische Literatur. Unter diesen Umständen erlebte vor
allem die Bengali-Literatur einen Aufschwung. Ihr bekanntester
Vertreter ist sicher Rabindranath Tagore, der heute als Nationaldichter
verehrt wird und bisher als einziger Inder den Nobelpreis für Literatur
erhielt. Zwei seiner Gedichte wurden später die Nationalhymnen von
Indien und Bangladesch. Seit dem frühen 20. Jahrhundert verwenden viele
indische Schriftsteller auch das Englische für ihre Werke.
Die zeitgenössische Literatur Indiens umfasst nicht nur
alle großen Schriftsprachen des Landes, sondern hat auch eine breite
Palette von Themen zum Gegenstand. Berühmte moderne Autoren sind Salman
Rushdie, Arundhati Roy, R. K. Narayan, Mulk Raj Anand, Rohinton Mistry,
Ruskin Bond, Amrita Pritam, Mahasweta Devi, Vikram Seth, Amitav Ghosh,
Anita Desai und Dom Moraes.
Musik
Die klassische indische Musik spaltet sich in zwei
Hauptrichtungen: die hindustanische und die karnatische Musik. Die
hindustanische Musik stammt aus Nordindien und ist stark vom persischen
Kulturraum beeinflusst. Die karnatische Musik ist der vorherrschende
klassische Stil Südindiens. Beiden liegen aber als wesentliche Konzepte
Raga und Tala zugrunde. Der Raga stellt die melodische Grundstruktur
dar. Jeder Raga beruht auf einer gewissen Tonfolge, die eine
Gefühlsstimmung vermittelt. Gespielt wird er zu einem bestimmten Tala,
einer Art Taktsystem, welches den Rhythmus des Musikstückes angibt.
Typische Instrumente umfassen Saiteninstrumente wie Sitar, Vina, Sarod,
Tanpura und Sarangi sowie Blasinstrumente (Flöte, Shenai). Als
Rhythmusinstrumente dienen beispielsweise die Tabla oder – in Südindien
– der Mridangam. Der Sitarspieler und Komponist Ravi Shankar gilt als
berühmtester Interpret der klassischen indischen Musik.
Neben der klassischen Musik verfügt Indien über reiche
Volksmusiktraditionen in den verschiedenen Landesteilen. Bekannt sind
die Bhangra-Musik aus dem Punjab oder die bengalischen Baul-Musiker.
Heute ist die traditionelle Volksmusik eher auf ländliche Gebiete
beschränkt.
Größter Beliebtheit unter der gesamten Bevölkerung
erfreut sich hingegen die indische Popmusik, die Merkmale sowohl
westlicher als auch volkstümlicher und klassischer indischer Musik
aufweist. Eingängige Ohrwürmer aus populären Kinofilmen finden
besonderen Anklang. Zu den erfolgreichsten und bekanntesten Sängern
indischer Filmmusik zählen Lata Mangeshkar, Kishore Kumar, Mohammed
Rafi, Manna De und Asha Bhosle.
Tanz
Kathakali-Tänzer
Im Hinduismus haben Tänze von jeher eine wichtige Rolle
gespielt, einerseits als getanzte Version des Gebetes, andererseits um
mythologische Themen darzustellen. So ist es nicht verwunderlich, dass
sich in Indien eine ungeheure Vielfalt von klassischen Tänzen, die
meist Züge des Schauspiels tragen, herausgebildet hat. Der Tanz ist
eine der am höchsten entwickelten Kunstformen Indiens. Oft haben selbst
kleinste Bewegungen und Gesichtsausdrücke eine sinnbildliche Bedeutung.
Klassische Tänze beruhen in der Regel auf literarischen Grundlagen.
Unter den klassischen Stilen ragt der Bharatanatyam hervor, ein im
Ursprung tamilischer, heute aber in ganz Indien geschätzter Einzeltanz.
Ihm ähnlich ist der aus Andhra Pradesh stammende Kuchipudi-Tanz, der
jedoch mehr schauspielerische Bestandteile hat. Eine der
ausdrucksstärksten Formen des Tanztheaters entstand in Kerala mit dem
von Männern ausgeübten Kathakali. Mohini Attam, ein Fraueneinzeltanz,
stammt ebenfalls aus Kerala. Odissi ist der klassische Tempeltanz
Orissas. Auch der nordindische Kathak war ursprünglich ein Tempeltanz,
der aber unter den Mogulherrschern islamischen Einflüssen ausgesetzt
war und sich zum höfischen Tanz entwickelte. Der Manipuri aus dem
nordostindischen Manipur weist dagegen Einflüsse aus dem birmanischen
Kulturkreis und regionale Besonderheiten auf. Er wird in der Gruppe
dargeboten.
Darüber hinaus besteht in Indien eine Vielzahl von
regionalen Volkstänzen. Diese werden zu den unterschiedlichsten
Anlässen dargeboten, etwa zu Hochzeiten, regionalen Festen, bei der
Ernte oder zu Beginn des Monsuns. Sehr bekannt sind etwa der Bhangra
aus dem Punjab und der Garba aus Gujarat.
Malerei
Obwohl die Bildhauerei in Indien lange Zeit als die
höhere Kunstform galt, gab es schon früh eine hoch entwickelte
Tradition der Malerei. Abgesehen von vorgeschichtlichen Malereien und
verzierten Keramiken aus der Induskultur stammen die frühesten
Beispiele aus der Guptazeit. Die buddhistischen Felsmalereien in den
Höhlen von Ajanta gelten als Meisterwerke dieser Epoche. Spätere Werke
in Ajanta sowie hinduistische, jainistische und buddhistische
Darstellungen in den Höhlen von Ellora setzten den Guptastil fort.
Rāgā Srī, König der Liebe,
mit Pagen. Dekkanstil, um 1595
Mit dem Auftreten des Islam ab dem 12. Jahrhundert
gewann die Malerei als höfische Kunst in persischer Tradition
allmählich an Bedeutung. Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte sie
mit dem Mogulstil des 16. bis 18. Jahrhunderts. Vor allem die
Miniaturmalerei erlebte eine Blüte. Abgebildet wurden fast
ausschließlich weltliche Dinge, daher überwiegen Porträts wichtiger
Persönlichkeiten des Reiches sowie Darstellungen des höfischen Lebens
und bedeutender geschichtlicher Ereignisse. Auch in anderen islamisch
geprägten Teilen Indiens blühte die Miniaturmalerei. So entwickelte
sich an den Höfen der Dekkan-Sultanate eine eigenständige Stilrichtung.
Der Mogulstil nahm auch Einfluss auf die Entstehung der
rajputischen Malerei an den Höfen der vielen Fürstenstaaten Rajasthans.
Diese widmete sich allerdings vorwiegend hinduistischen Themen, etwa
der Illustration der großen Hindu-Epen Mahabharata und Ramayana.
Besonders beliebt waren Darstellungen aus dem Leben Krishnas. Auf Grund
der Vielzahl der rajputischen Fürstenhöfe entstanden verschiedene
Malschulen. Jede Schule entwickelte zwar eigene Besonderheiten, allen
sind aber die großflächige Zeichnung und die leuchtenden Farben gemein.
Figuren wurden oft ohne Schatten dargestellt.
Im westlichen Himalaya entwickelte sich im 18.
Jahrhundert die Pahari-Schule. Auch sie wird von hinduistischen Motiven
beherrscht. Kennzeichnend sind Landschaftsdarstellungen mit nur wenigen
Figuren.
Westliche Einflüsse während der britischen Kolonialzeit
brachten umwälzende Veränderungen mit sich. Gegen Ende des 19.
Jahrhunderts befand sich die traditionelle indische Malerei im
Niedergang. Stattdessen versuchten Maler wie Raja Ravi Varma
europäische Stile, allen voran den Realismus, nachzuahmen. Erst nach
der Jahrhundertwende fanden althergebrachte Stilelemente wieder Eingang
in die Werke indischer Künstler, darunter der Bengalischen Schule um
Abanindranath Tagore.
Die moderne Malerei Indiens greift westliche
Kunstrichtungen auf, führt aber auch indische Traditionen fort und
entwickelt sie weiter. Der bekannteste moderne Künstler ist Maqbool
Fida Husain.
Außerdem hat es in Indien schon immer eine starke
Tradition der volkstümlichen Malerei gegeben. Auf dem Land werden oft
Häuser aufwändig bemalt. Besonders bekannt ist die Madhubani-Malerei
aus Bihar. Zunehmend findet auch die Kunst der indischen
Stammesbevölkerung Anerkennung.
Film
Der Film ist zweifellos einer der wichtigsten
Bestandteile der modernen Alltagskultur Indiens. Mit mehr als 1.000
Produktionen jährlich ist die indische Filmindustrie die größte der
Welt. Die kulturelle, vor allem sprachliche, Vielfalt spiegelt sich
daher auch in diesem Genre wieder. So hat jede der großen
Regionalsprachen ihre eigene Filmindustrie. Der Hindi-Film bringt die
meisten Produktionen hervor. Er wird in Mumbai produziert und ist unter
dem Namen „Bollywood“ bekannt. Shah Rukh Khan und Kajol sind beliebte
und berühmte Bollywood-Schauspieler. Auch das Bengali-, Kannada-,
Tamil- („Kollywood“), Telugu- („Tollywood“) und Malayalam-Kino sind
sehr beliebt und haben große Massenwirksamkeit. Die wesentlichsten
Merkmale der Unterhaltungsfilme ähneln einander in allen regionalen
Produktionen. Die oft mehr als drei Stunden langen Filme enthalten
viele Musik- und Tanzszenen, ohne die kein kommerzieller Film
vollständig wäre. Bisweilen wird die Filmmusik schon im Voraus
veröffentlicht. Ist sie ein Erfolg, wird auch der Film mit hoher
Wahrscheinlichkeit zum Kassenschlager. Von den Schauspielern wird
erwartet, dass sie tanzen können, während die Gesangseinlagen von
professionellen Playbacksängern übernommen werden. Auffällig ist auch
die Mischung aus komischen, romantischen, dramatischen und
Actionelementen.
Darüber hinaus findet auch das Autorenkino viel
Anerkennung. International bekannt sind etwa die beiden bengalischen
Regisseure Satyajit Ray und Mrinal Sen.
Sport
Viele der in Indien ausgeübten Sportarten haben ihren
Ursprung in England und haben sich während der britischen
Kolonialherrschaft verbreitet. Das englische Cricket ist die mit
Abstand beliebteste Sportart, es wird in Indien sogar mittlerweile
besser gespielt als im Ursprungsland, die zweitbeliebteste Sportart ist
Hockey. In einigen Landesteilen, wie Goa und Westbengalen, ist auch
Fußball äußerst populär. Narain Karthikeyan aus Chennai ist Indiens
erster Formel-1-Pilot. Außerdem hat Indien einige der besten
Schachspieler der Welt hervorgebracht, darunter den Schachweltmeister
Viswanathan Anand.
Bei olympischen Spielen war Indien mit seiner
Hockey-Nationalmannschaft von 1928 bis 1980 unangefochten dominierend;
bei diesen 12 Spielen gewann man 8 Gold-, 1 Silber- und 2
Bronzemedaillen. Die 5 Einzelsportler Norman Pritchard, Kha Shaba
Digvijai Jadav, Leander Paes, Karnam Malleswari und Rajyavardhan Singh
Rathore gewannen ebenfalls Medaillen (3x Silber, 3x Bronze) für das
Land.
Im Jahre 2010 werden die Commonwealth Games in Neu-Delhi
ausgetragen.
Yoga
Die Körperstellungen (Asanas) des ca. 2.000 Jahre alten
Yoga sind der im Westen bekannteste Teil des Yoga (vgl. Hatha Yoga).
Autogenes Training und andere verwandte Übungsarten sind daraus
abgeleitet. Yoga bereitet Meditation vor und ergänzt Religionen, obwohl
es selbst keine ist. Beispiel: Der Sonnengruß (auch Sonnengebet), ist
eine dynamische Abfolge von Bewegungen, die auch der symbolischen
indischen Sonnenanbetung (Surya) entspricht. Asanas und Ayurveda sind
ein Bestandteil alter indischer Praktiken, die weitaus mehr als
westliche die ganzheitliche Gesundheit und spirituelle Erfahrung
einschließen.
Küche
Gewürzstand
Die indische Küche spiegelt sowohl die regionale
Vielfalt als auch die unterschiedlichen historischen und religiösen
Prägungen des Landes wider. Von einer einheitlichen Kochkultur kann
daher nicht die Rede sein. Vielmehr unterscheiden sich Zutaten und
Essgewohnheiten ähnlich stark voneinander wie in Europa. Allgemein
nimmt Fleisch einen geringeren Stellenwert als in den westlichen Küchen
ein. Die meistverzehrte Fleischsorte ist Huhn. Am beliebtesten sind
Fleischgerichte noch bei Muslimen, die aber kein Schweinefleisch zu
sich nehmen, während viele Hindus ganz vegetarisch leben. Rindfleisch
lehnen die meisten von ihnen – ebenso wie die Sikhs – strikt ab. Jainas
ist sogar der Genuss jeglicher tierischer Nahrungsmittel strengstens
untersagt. Als Bratfette sind Pflanzenöle weitaus üblicher als
tierische Fette.
Als Grundnahrungsmittel dienen in Nord- und Westindien
neben Reis verschiedene Weißbrotsorten (Roti), deren verbreitetste
Variante Chapati, ein ungesäuertes Fladenbrot aus Weizenvollkornmehl,
ist. Im Gegensatz dazu wird das im Nordwesten verbreitete Naanbrot mit
Hefe gebacken. In Süd- und Ostindien ist Reis das wichtigste
Nahrungsmittel schlechthin. Als Beilagen sind Hülsenfrüchte wie Linsen,
Kichererbsen, Straucherbsen, Urdbohnen und Mungbohnen üblich. Das in
der westlichen Welt als Gewürzmischung bekannte und als Sinnbild der
indischen Küche angesehene Wort „Curry“ ist in Indien ein Begriff für
die Zubereitungsart einer Vielzahl vegetarischer oder fleischhaltiger
Gerichte in einer oft stark gewürzten Soße. Tatsächlich sind die Masala
genannten Gewürzmischungen in der indischen Küche unentbehrlich, ihre
Rezeptur und Verwendung variiert jedoch je nach Region beträchtlich. Zu
Currys werden häufig gewürzte süß-saure Chutneys aus Gemüse und Obst
gereicht. Milchprodukte, beispielsweise Ghee (Butterschmalz) und
Joghurt, sind ebenfalls gängige Zutaten vieler Speisen und Soßen.
Beliebte Getränke sind Kaffee, Tee, Masala Chai
(Milchtee mit Gewürzen), Fruchtsäfte und Getränke auf Milchgrundlage
wie Lassi (ein Joghurtgetränk). Alkoholische Getränke werden von vielen
Indern aus religiösen Gründen abgelehnt. In einigen Bundesstaaten ist
Alkohol sogar generell nicht erhältlich.
Feiertage und Feste
Als Nationalfeiertage werden der Republic Day
(Tag der Republik) am 26. Januar, dem Tag des Inkrafttretens der
Verfassung im Jahre 1950, und der Independence Day (Tag der
Unabhängigkeit) am 15. August, der an das Ende der britischen
Kolonialherrschaft 1947 erinnert, begangen. Letzterer wird jedoch nicht
so aufwändig zelebriert wie der Tag der Republik, an dem in Delhi eine
große Parade stattfindet, die vom Staatspräsidenten abgenommen wird.
Auch der Geburtstag des Führers der Unabhängigkeitsbewegung Mohandas
Karamchand („Mahatma“) Gandhi am 2. Oktober sowie mehrere religiöse
Feste sind landesweite gesetzliche Feiertage. Religiöse Festtage nehmen
in Indien einen außerordentlich hohen Stellenwert ein. Zu den
wichtigsten hinduistischen Feierlichkeiten gehören das Lichterfest
Diwali, Dussehra (der Tag des Sieges von Rama über den Dämonen Ravana),
die Frühlingsfeste Holi und Vasant Panchami, Ganesh-Chaturthi zu Ehren
Ganeshas, Raksha Bandhan (Fest der „Schützenden Verbindung“ zwischen
Geschwistern) sowie viele weitere Pujas zu Ehren einzelner Gottheiten.
Muslime feiern etwa das Opferfest (Id al-Adha) zum Höhepunkt der
Pilgerfahrt (Haddsch) nach Mekka und Id al-Fitr zum Ende des
Fastenmonats Ramadan. Der wichtigste Feiertag der Sikhs, Buddhisten und
Jainas ist der Geburtstag ihres jeweiligen Glaubensstifters (Guru Nanak
bzw. Buddha bzw. Mahavira). Christen feiern vor allem Ostern und
Weihnachten.
Daneben existiert eine unüberschaubare Vielzahl
regionaler Feste. In der Erntezeit feiert man in ländlichen Gegenden
Erntedankfeste wie das tamilische Pongal oder Lohri im Punjab, während
die Menschen in anderen Landesteilen am selben Tag Makar Sankranti
feiern .
Medien
Gemäß der Verfassung von 1950 gelten in Indien Meinungs-
und Pressefreiheit, auch wenn diese in Krisengebieten wie Kaschmir und
Teilen der Nordostregion eingeschränkt sind. Auf Grund seiner
pluralistischen Gesellschaft besitzt Indien jedoch eine überaus breit
gefächerte Medienlandschaft.
Printmedien
Indiens erste Zeitung, die englischsprachige Bengal
Gazette, erschien 1780 in Kalkutta. Heute weist Indien eine äußerst
vielfältige Presselandschaft auf. Die indische Presse gilt als
kritisch, auch die thematische Bandbreite ist außerordentlich groß. Im
Land erscheinen etwa 55.000 Zeitungen und Zeitschriften - mehr als
in jedem anderen Land der Welt - mit einer Gesamtauflage von über
140 Millionen. Darunter sind mehr als 5.000 Tageszeitungen. Die meisten
Printmedien werden auf Hindi verlegt, das 45 Prozent des gesamten
Pressemarktes ausmacht. Englischsprachige Zeitungen haben einen Anteil
von 17 Prozent. Der Rest verteilt sich auf über 100 Sprachen und
Dialekte. Die größten Tageszeitungen mit einer Auflage von jeweils mehr
als 1 Million sind Dainik Jagran (Hindi), The Times of India
(Englisch), The Telegraph (Englisch), Dainik Bhaskar
(Hindi), Malayala Manorama (Malayalam), The Hindustan Times
(Englisch), Gujarat Samachar (Gujarati), Anandabazar Patrika
(Bengali) und Eenadu (Telugu). Die wichtigsten Presseagenturen
sind Press Trust of India (PTI) und United News of India
(UNI).
Hörfunk
Bis in die frühen 1990er Jahre war der Hörfunk das
dominierende elektronische Medium. Mit knapp 200 Millionen Zuhörern
erreicht er jedoch inzwischen nur noch halb so viele Menschen wie das
Fernsehen. Auch die Monopolstellung des staatlichen All India Radio,
das in 24 Sprachen sendet und im ganzen Land empfangen werden kann, ist
durch die steigende Zahl privater UKW-Sender längst gebrochen. In den
großen Städten haben private Hörfunksender das Staatsradio bereits
überholt.
Fernsehen
Das Fernsehen wurde erstmals 1959 im Raum Delhi
eingeführt. Ein regelmäßiges Programm besteht jedoch erst seit 1965.
Zunächst blieb das Fernsehen einer kleinen, wohlhabenden Minderheit
vorbehalten, erlebte aber in den 1980er Jahren einen rasanten
Zuschauerzuwachs und ist heute das mit Abstand beliebteste Massenmedium
in Indien. Dem Staatsfernsehen Doordarshan, das bis 1991 eine
Monopolstellung innehatte, stehen mittlerweile zahlreiche private
Satelliten- und Kabelsender gegenüber. Letztere finden ihr Publikum vor
allem unter der jüngeren Stadtbevölkerung. Inzwischen verfügt etwa die
Hälfte der rund 100 Millionen Fernsehhaushalte über einen
Kabelanschluss. Die zuschauerstärksten Privatsender sind STAR Plus,
Sony TV und Zee TV.
Internet
Das Internet ist bisher nur einer kleinen Minderheit
zugänglich, vor allem der wohlhabenden Stadtbevölkerung. Lediglich zwei
Prozent der Bevölkerung nutzen es. Die Zahl der Benutzer steigt
allerdings rapide an, nicht zuletzt dank der Internetcafés, die sich in
größeren Städten zusehends verbreiten.
Verlagswesen und Buchmarkt
In 12.000 Verlagen erscheinen jährlich rund 90.000 Titel
in über 18 Sprachen. Indien ist der drittgrößte Markt für
englischsprachige Publikationen, der stark vom Wegfall eines
investitionsbeschränkenden Gesetzes profitiert. Zunehmend wird
Verlagsarbeit vor allem aus den Abteilungen Herstellung, Englisch und
Online aus Industrieländern nach Indien verlagert, besonders im Bereich
wissenschaftlicher, technischer und medizinischer Fachliteratur. Alle
zwei Jahre findet in Neu-Delhi eine der weltgrößten Buchmessen, die
New Delhi World Book Fair, statt, zuletzt im Januar / Februar 2006.
Literatur
Deutschsprachig
- Dietmar Rothermund: Indien: Kultur, Geschichte,
Politik, Wirtschaft, Umwelt - ein Handbuch. Verlag C. H. Beck,
München 1995, ISBN 3-406-39661-5
- David Ludden: Geschichte Indiens [India and South
Asia. A Short History; deutsch]. Magnus-Verlag, Essen 2006, ISBN
3-88400-440-9
- Friedrich Stang: Indien. Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-06210-8
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften
Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur. edition sawitri,
Karlsruhe 2003, ISBN 3-931172-22-8
- Wilfried Huchzermeyer: Erlebnis: Sanskrit-Sprache.
edition sawitri, Karlsruhe 2005, ISBN 3-931172-05-8
- Dirk Bronger: Indien. Größte Demokratie der Welt
zwischen Kastenwesen und Armut. Justus Perthes Verlag, Gotha 1996,
ISBN 3-623-00667-X
- Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte
Indiens. Von der Induskultur bis heute. Verlag C. H. Beck, München
1998, ISBN 3-406-43338-3
- Dorothee Wenner, Alexandra Schneider, Madhusree
Dutta, Angelika Fitz, Merle Kröger (Hrsg.): Import / Export. Wege
des Kulturtransfers zwischen Indien und Deutschland / Österreich.
Parthas Verlag, 2005, ISBN 3-866-01910-6
- Maria Mies: Indische Frauen zwischen
Unterdrückung und Befreiung. Syndikat, Frankfurt am Main 1986, ISBN
3-434-46085-3
Englischsprachig
- Ramesh Chandra Thakur: The Government and
Politics of India. MacMillan, 1995, ISBN 0-312-12719-7
- Paul R. Brass: The Politics of India Since
Independence. Cambridge University Press, 1994, ISBN 0-521-45970-2
- Amrita Basu, Atul Kohli: Community Conflicts and
the State in India. Oxford University Press, 2000, ISBN
0-195-65214-2
- Paul R. Brass: The Production of Hindu-Muslim
Violence in Contemporary India. University of Washington Press,
2003, ISBN 0-295-98506-2
- Yves Thoraval: The Cinemas of India (1896-2000).
MacMillan, 2000, ISBN 0-333-93410-5
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